Morgenständchen
In den Wipfeln frische Lüfte,
fern melod′scher Quellen Fall
durch die Einsamkeit der Klüfte,
Waldeslaut und Vogelschall.
Scheuer Träume Spielgenossen
steigen all beim Morgenschein,
auf des Weinlaubs schwanken Sprossen
dir zum Fenster aus und ein
und wir nahn noch halb in Träumen
und wir tun in Klängen kund
was da draußen in den Bäumen
singt der weite Frühlingsgrund,
Regt der Tag erst laut die Schwingen
sind wir Alle wieder weit
aber tief im Herzen klingen
lange nach noch Lust und Leid.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Morgenständchen“ von Joseph von Eichendorff ist eine romantische Naturbetrachtung, die die Atmosphäre des Morgens und die damit verbundenen Gefühle von Sehnsucht und Erinnerung einfängt. Das Gedicht beschreibt die Schönheit der Natur, die mit dem Erwachen des Tages einhergeht, und die Art und Weise, wie diese Schönheit die Seele des lyrischen Ichs berührt. Die Verse sind durchzogen von einer tiefen Verbundenheit zur Natur und dem Gefühl der Vergänglichkeit, aber auch der bleibenden Nachwirkung von Erlebnissen.
Die erste Strophe etabliert die Szenerie: „frische Lüfte“, „melod’scher Quellen Fall“, „Waldeslaut und Vogelschall“ zeichnen ein idyllisches Bild der Natur. Der „fern melod’scher Quellen Fall“ deutet auf die Entfernung von Alltäglichem und die Sehnsucht nach einer idealisierten Welt hin. Das „Scheuer Träume Spielgenossen“ in der zweiten Strophe deutet auf die sanften Übergänge von Träumen in die Wachwelt hin. Die Natur wird als Begleiter des lyrischen Ichs dargestellt, das sich von den Naturlauten inspirieren lässt und diese in Gesang umwandelt. Das Fenster, an dem die Melodie erklingt, symbolisiert die Verbindung zwischen der Innenwelt des lyrischen Ichs und der Außenwelt der Natur.
Die dritte Strophe, „und wir nahn noch halb in Träumen / und wir tun in Klängen kund“, verbindet die Träume mit dem Erwachen in die Realität. Die Klänge der Natur werden zu einer Botschaft, die das lyrische Ich ausspricht, als ob es die Gefühle der Natur widerzuspiegeln versucht. Das „was da draußen in den Bäumen / singt der weite Frühlingsgrund“ deutet auf die Einheit von Mensch und Natur, die sich in der Musik ausdrückt. Diese Strophe drückt die Einheit von Natur, Traum und Musik aus, die die Grundlage für die romantische Erfahrung bildet.
Die vierte Strophe schließlich wendet sich der Vergänglichkeit zu. „Regt der Tag erst laut die Schwingen / sind wir Alle wieder weit“ impliziert, dass der Zauber des Morgens mit dem Aufbruch des Tages verflüchtigt. „Aber tief im Herzen klingen / lange nach noch Lust und Leid“ zeigt jedoch, dass die Erlebnisse des Morgens, die Freude und der Schmerz, im Herzen des lyrischen Ichs nachklingen. Das Gedicht endet mit einem Gefühl der Melancholie und der Erkenntnis, dass die Erinnerungen an die Natur und die damit verbundenen Emotionen in der Seele weiterleben. Es ist ein Plädoyer für die Wahrnehmung der Schönheit und die tiefe Verbundenheit zur Natur, die letztlich unvergesslich bleibt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.