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Moderner Gassenhauer

Von

Der Eremit ist dick und groß;
Er haßt die Nebenmenschen bloß.
Er liebt nur seine Klause
Und bleibt daher zu Hause.
Die ganze Welt ist ihm Pomade.
Die Nebenmenschen sagen: schade!
Das aber rührt den Teufel nicht.
Hat er nur stets sein Leibgericht,
So ist ihm alles piepe –
Der Haß und auch die Liepe.

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Gedicht: Moderner Gassenhauer von Paul Scheerbart

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Moderner Gassenhauer“ von Paul Scheerbart zeichnet das ironische Porträt eines Eremiten, der sich in seiner Weltanschauung von den Konventionen abhebt. Der Titel „Moderner Gassenhauer“ steht im Kontrast zum Inhalt und deutet bereits auf eine gewisse Überzeichnung und den Wunsch nach humoristischer Wirkung. Die Wahl des Wortes „Gassenhauer“ lässt eine populäre, leicht zugängliche Form der Unterhaltung anklingen, während der Text selbst die Eigenheiten eines individualistischen Charakters beleuchtet.

Der Eremit wird als „dick und groß“ beschrieben, was in Kombination mit seiner Abneigung gegen „Nebenmenschen“ eine gewisse Selbstgenügsamkeit und Isolation suggeriert. Er zieht es vor, sich in seine „Klause“ zurückzuziehen, was im Grunde ein Rückzug in die Einsamkeit darstellt. Die Zeile „Die ganze Welt ist ihm Pomade“ ist eine sehr interessante Metapher: Sie deutet an, dass der Eremit die Welt als etwas Oberflächliches, Schmieriges und Künstliches wahrnimmt, als etwas, das ihn nicht berührt oder interessiert.

Die Reaktion der „Nebenmenschen“, die „schade!“ sagen, ist ein wichtiger Aspekt des Gedichts. Sie drücken Mitleid oder Bedauern aus, was ironisch ist, da der Eremit offensichtlich an seinem Lebensstil festhält und sich durch die Meinungen anderer nicht beeinflussen lässt. Dies zeigt die völlige Indifferenz des Eremiten gegenüber der sozialen Welt. „Das aber rührt den Teufel nicht“, was nochmals die Gleichgültigkeit des Eremiten gegenüber jeglicher äußerer Einwirkung unterstreicht.

Scheerbart nutzt hier eine Kombination aus Ironie und Überzeichnung, um das Bild eines exzentrischen, individualistischen Charakters zu entwerfen. Die Zeilen, die sich auf sein Leibgericht und seine Gleichgültigkeit gegenüber „Haß“ und „Liepe“ beziehen, verdeutlichen seine materialistische und egozentrische Natur. Das Gedicht ist eine humorvolle Betrachtung des Eremitentums, das sowohl die Absurdität als auch die potenzielle Freiheit eines Lebens in Isolation hervorhebt. Die einfache Reimstruktur verstärkt den Eindruck eines „Gassenhauers“, was im Grunde eine Kritik an der Oberflächlichkeit des Alltagslebens darstellt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.