Laß sie mich küssen, die knospende Blume, den Kelch meiner Trunkenheit!
Wenn meiner Lippen fiebernde Glut dir die Glieder durchzittert hat,
Dann erst wirst du mir Weib, und ein mächtig Erinnern
Schwellt meine Segel glückseligen Inseln entgegen.
Minona
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Minona“ von Frank Wedekind ist eine Momentaufnahme intensiver, sinnlicher Erwartung und das Eingeständnis eines berauschenden Verlangens nach einer noch unberührten Frau. Es drückt die Sehnsucht nach der Entdeckung der sexuellen Erfahrung und der Transformation, die durch diese Erfahrung stattfinden soll, aus. Der Sprecher artikuliert eine tiefe Begierde, die sich in der eindringlichen Bitte nach einem Kuss verdichtet. Die „knospende Blume“ und der „Kelch meiner Trunkenheit“ sind Metaphern, die die Empfänglichkeit der Frau und die berauschende, ekstatische Natur der sexuellen Vereinigung verdeutlichen.
Das Gedicht ist von einer unbändigen Sinnlichkeit geprägt. Das Wort „küssen“ und die Beschreibung der „fiebernden Glut“ der Lippen betonen die körperliche Leidenschaft, die den Sprecher ergreift. Die Erwartung einer Reaktion von der Geliebten – „die Glieder durchzittert hat“ – zeigt das Verlangen nach gegenseitiger Erregung und der Verschmelzung zweier Körper. Wedekind verwendet hier eine erotische Sprache, die auf unmittelbare körperliche Reaktionen abzielt und die Sinnlichkeit des Augenblicks hervorhebt.
Der Wendepunkt im Gedicht liegt in der Verheißung, dass die Frau erst nach dem Kuss, nach der sexuellen Erfahrung, „mir Weib“ wird. Diese Transformation ist entscheidend, da sie nicht nur eine körperliche, sondern auch eine geistige und emotionale Veränderung impliziert. Der Sprecher sieht in der Vereinigung die Geburt einer neuen Identität für die Frau und eine tiefere Verbindung zwischen den Liebenden.
Schließlich offenbart das Gedicht auch die Hoffnung auf eine dauerhafte Bindung und die Erschaffung einer gemeinsamen Erinnerung. „Ein mächtig Erinnern“ soll die „Segel glückseligen Inseln entgegen“ schwellen lassen, was auf die gemeinsame Reise in eine glückselige Zukunft hindeutet. Wedekind verbindet hier die kurzfristige, körperliche Erregung mit der langfristigen Erwartung einer dauerhaften Liebe und einer gemeinsamen Reise, die durch das Teilen der sexuellen Erfahrung ermöglicht wird. Das Gedicht ist also sowohl eine Momentaufnahme sinnlicher Begierde als auch ein Manifest der Hoffnung auf eine erfüllte, dauerhafte Beziehung.
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Lizenz und Verwendung
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