Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , , , , , ,

Meine Seel ist in der Stille

Von

Meine Seel ist in der Stille,
Tröstet sich des Höchsten Kraft,
Dessen Rat und heilger Wille
Mir bald Rat und Hilfe schafft.
Der kann mehr als alle Götter,
Ist mein Hort, mein Heil, mein Retter,
Daß kein Fall mich stürzen kann,
Trät er noch so heftig an.

Meine Hasser, hört! Wie lange
Stellt ihr alle einem nach?
Ihr macht meinem Herzen bange,
Mir zur Ehr und euch zur Schmach,
Hanget wie zerrißne Mauern
Und wie Wände, die nicht dauern,
Über mir und seid bedacht,
Wie ich werde totgemacht.

Ja fürwahr, daß einge denken,
Die, so mir zuwider seind,
Wie sie mir mein Leben senken
Dahin, wo kein Licht mehr scheint:
Darum geht ihr Mund aufs Lügen
Und das Herz auf lauter Trügen;
Gute Wort und falsche Tück
Ist ihr bestes Meisterstück.

Dennoch bleib ich ungeschrecket,
Und mein Geist ist unverzagt
In dem Gotte, der mich decket,
Wann die arge Welt mich plagt.
Auf den harret meine Seele;
Da ist Trost, den ich erwähle,
Da ist Schutz, der mir gefällt,
Und Errettung, die mich hält.

Nimmer, nimmer werd ich fallen,
Nimmer werd ich untergehn,
Denn hier ist, der mich vor allen,
Die mich drücken, kann erhöhn;
Bei dem ist mein Heil und Ehre,
Meine Stärke, meine Wehre;
Meine Freud und Zuversicht
Ist nur stets auf Gott gericht.

Hoffet allzeit, lieben Leute,
Hoffet allzeit stark auf ihn.
Kommt die Hilfe nicht bald heute,
Falle doch der Mut nicht hin.
Sondern schüttet aus dem Herzen
Eures Herzens Sorg und Schmerzen,
Legt sie vor sein Angesicht,
Traut ihm fest und zweifelt nicht.

Gott kann alles Unglück enden,
Wirds auch herzlich gerne tun
Denen, die sich zu ihm wenden
Und auf seiner Güte ruhn.
Aber Menschenhilf ist nichtig,
Ihr Vermögen ist nicht tüchtig,
Wär es gleich noch eins so groß,
Uns zu machen frei und los.

Große Leute, große Toren!
Prangen sehr und sind doch Kot,
Füllen Sinnen, Aug und Ohren:
Kommts zur Tat, so sind sie tot;
Will man ihres Tuns und Sachen
Eine Prob und Rechnung machen,
Nach dem Ausschlag des Gewichts
Sind sie weniger denn nichts.

Laßt sie fahren, liebe Kinder,
Da ist schlechter Vorteil bei!
Habt vor allem, was die Sünder
Frechlich treiben, Furcht und Scheu!
Laßt euch Eitelkeit nicht fangen,
Nach, was nichts ist, nicht verlangen;
Käm auch Gut und Reichtum an,
Ei, so hängt das Herz nicht dran!

Wo das Herz am besten stehe,
Lehrt am besten Gottes Wort
Aus der güldnen Himmelshöhe;
Denn da hör ich fort und fort,
Daß er groß und reich von Kräften,
Rein und heilig in Geschäften,
Gütig dem, der Gutes tut.
Nun, der sei mein schönstes Gut.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Meine Seel ist in der Stille von Paul Gerhardt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Meine Seel ist in der Stille“ von Paul Gerhardt ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Glauben, der Hoffnung und der Unbeständigkeit des irdischen Lebens. Es manifestiert ein starkes Vertrauen in Gott als Quelle des Trostes, der Stärke und der Erlösung, während es gleichzeitig die Vergänglichkeit und Nichtigkeit menschlicher Anstrengungen und weltlicher Werte betont. Das Gedicht ist in neun Strophen gegliedert, wobei jede Strophe eine Facette des Glaubenslebens beleuchtet.

In den ersten vier Strophen artikuliert der Dichter seinen inneren Frieden und seine Zuversicht, die er aus der Beziehung zu Gott zieht. Die „Stille“ dient als Rückzugsort, in dem die Seele Trost und Kraft findet. Der Dichter betont Gottes Allmacht, seine Rolle als Hüter, Retter und Schutzschild. Er trotzt den Anfeindungen und dem Hass der Welt, da er sein Heil und seine Ehre in Gott findet. Dies ist ein deutliches Bekenntnis zum Glauben und zur standhaften Haltung gegenüber Widrigkeiten. Die Betonung auf „nimmer, nimmer werd ich fallen“ unterstreicht diese unerschütterliche Gewissheit der göttlichen Fürsorge.

Die folgenden drei Strophen richten sich an ein breiteres Publikum und fordern zur Hoffnung und zum Vertrauen in Gott auf. Die Gläubigen werden ermutigt, ihre Sorgen und Ängste vor Gott auszuschütten, ihm zu vertrauen und nicht zu zweifeln. Gleichzeitig wird die Nichtigkeit menschlicher Hilfe und weltlicher Ressourcen betont. Gerhardt hebt die göttliche Gnade und Güte hervor, die denen zuteilwird, die sich Gott zuwenden. Er warnt vor dem Vertrauen in materielle Güter und irdischen Reichtum, da diese vergänglich und unzuverlässig sind.

Die letzten beiden Strophen stellen eine deutliche Abgrenzung von den „großen Leuten“ und den „Sündern“ dar. Der Dichter entlarvt die Eitelkeit, das Prunken und die letztendliche Bedeutungslosigkeit der Weltlichen, die als „große Toren“ charakterisiert werden. Er warnt vor der Faszination durch weltliche Dinge und ruft die Leser dazu auf, sich von der „Eitelkeit“ fernzuhalten. Abschließend weist er auf das Wort Gottes als Quelle der Wahrheit und des wahren Reichtums hin. Das Herz soll sich nach Gottes Wort ausrichten, da nur dort wahrer Wert und Glück zu finden sind. Das Gedicht endet mit dem Bekenntnis, dass Gott das „schönste Gut“ ist, ein Ausdruck von Hingabe und Dankbarkeit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.