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Mai

Von

Ich möchte schweigend, Lieber, dich umfangen,
Gehüllt in süße, bange Dämmerungen.
Es wird so viel zu meinem Preis gesungen,
Daß mir die Lust am Liede fast vergangen.

Wärst du so heiß von seligem Verlangen,
Wie eine Lilie, deren weiße Zungen
Den langen Tag nach kühlem Trost gerungen,
Bis daß sie müd′ und matt zur Erde hangen:

Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken,
So viel du magst, mein treuer deutscher Zecher,
Aus meinem bodenlosen Liebesbecher!

Siehst du die hellen Thauestropfen blinken
Dort an den Lilien in der Morgensonne?
Wie mäßig schaltet ihr mit meiner Wonne!

(Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten)

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Mai von Wilhelm Müller

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mai“ von Wilhelm Müller ist ein Liebesgedicht, das von einer Sehnsucht nach inniger Vereinigung und der Auflösung in der Liebe zeugt. Es beginnt mit dem Wunsch nach einer stummen, intimen Umarmung, die von einer „süßen, bange[n] Dämmerung“ umgeben ist. Dies deutet auf eine tiefe emotionale Verbundenheit hin, die jenseits von Worten und Gesängen existiert. Der Dichter empfindet eine gewisse Übersättigung durch Lobpreisungen und äußert stattdessen den Wunsch nach einer stillen, privaten Hingabe.

Die zweite Strophe intensiviert die Sehnsucht, indem sie einen Vergleich mit einer Lilie heranzieht, die sich nach Trost sehnt. Dieses Bild symbolisiert die eigene Sehnsucht des Dichters nach Trost und Erfüllung. Die Lilie mit ihren „weiße[n] Zungen“, die nach kühlem Trost „gerungen“ hat, spiegelt die eigene Erschöpfung und das Verlangen nach Trost in der Liebe wider. Der Vergleich betont die körperliche und emotionale Erschöpfung durch die Sehnsucht.

Die dritte Strophe ist eine direkte Einladung zur Liebe, mit der Zeile „Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken“. Der Dichter bietet dem Geliebten einen „bodenlosen Liebesbecher“ an, was auf eine unerschöpfliche Quelle der Liebe und Hingabe hindeutet. Dies unterstreicht die Großzügigkeit und die tiefe Hingabe des Dichters, der bereit ist, seine ganze Liebe zu schenken. Der Begriff „deutscher Zecher“ könnte auf eine treue, tiefe, vielleicht auch übermäßige Liebeshingabe hindeuten.

Die abschließende Strophe lenkt den Blick auf die „hellen Thauestropfen“ an den Lilien, die in der Morgensonne glänzen. Diese Beobachtung dient als Vergleich für die Unmäßigkeit der Liebe, wobei die Tropfen symbolisch für die Tränen der Liebe stehen. Der Dichter scheint die Liebe als etwas darzustellen, das so tiefgreifend und unermesslich ist, dass es sich nicht in Maßen fassen lässt. Die Sonne, die die Tropfen zum Glänzen bringt, repräsentiert die Lebendigkeit und Freude, die mit der Liebe einhergehen, während die Lilien für die Schönheit und Zerbrechlichkeit der Liebe stehen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.