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Märzveilchen

Von

Im März dieses Jahres da ist über Nacht
Ein herrliches Veilchen zum Leben erwacht,
Verbreitet den Balsam all‘ Enden und Orten,
Ganz Deutschland das ist bald berauscht davon worden.

Das Veilchen heißt Freiheit, die lang unterdrückt,
Sich schüchtern ins Gras unter Blätter gebückt,
Die oft von gewaltigen Füßen getreten,
Nicht wagte zu handeln, nicht wagte zu reden.

Doch als nun die Blume die Knospe gesprengt,
Als sie sich voll Leben zur Sonne gedrängt,
Wie sind da die Düfte im Länderdurchwallen,
Den fürstlichen Herrn auf die Nerven gefallen.

Wie sprachen sie freundlich zum Volk: »Hab‘ Geduld,
Wir zahlen dir nächstens die säumige Schuld.
Wir wollen dich huldvoll mit Rechten begaben,
Und was du verlangst, das sollst du auch haben.«

Schon reckt die Gewalt wieder kecklich das Ohr,
Wir tragen die Lasten noch jetzt wie zuvor,
Und was wir als Vorspiel einstweilen bekommen,
Das hat man in Baden zurück schon genommen.

Dort nahm man dem Volke die Waffen gleich ab,
Die man ihm als Spielwerk zu Händen erst gab;
Dort sitzen die Männer gefangen in Zellen,
Die’s wagten den Wortpfeil vom Bogen zu schnellen.

Kaum sind seit dem Umsturz zwei Monden vorbei,
Schon kränkelt das Veilchen, wir haben erst Mai.
Wie ist’s zu erhalten in künftigen Tagen?
Es kann wohl die fürstliche Sonn‘ nicht vertragen.

Wir haben die günstige Stunde versäumt,
Drum heißt’s nun: »Sie haben von Freiheit geträumt.
Wir schicken die Unseren zum Parlamente,
Die machen dem Treiben ein baldiges Ende.«

Hab Acht, o mein Volk, sei beständig auf Hut;
Laß ein dir nicht schüchtern den männlichen Muth.
Soll’s Veilchen dir fröhlich und frisch wieder sprießen,
So mußt du es mit deinem Herzblut begießen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Märzveilchen von Kathinka Zitz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Märzveilchen“ von Kathinka Zitz ist eine politische Allegorie, die die Entstehung und das Scheitern der bürgerlichen Revolution von 1848 in Deutschland thematisiert. Das „Märzveilchen“ symbolisiert dabei die Freiheit, die im März dieses Jahres, also 1848, wie eine Blume aus dem Boden sprießt. Diese Freiheit war zuvor lange unterdrückt worden und wagte es nicht, sich zu entfalten. Das Gedicht zeichnet den anfänglichen Enthusiasmus und die Hoffnung, die mit der Revolution verbunden waren.

Die Reaktion der „fürstlichen Herrn“, also der alten Machtelite, auf das Erblühen der Freiheit wird im Gedicht als zunächst schmeichelnd und versöhnlich dargestellt. Sie versprechen dem Volk Nachsicht und die Erfüllung seiner Forderungen. Doch diese Versprechen entpuppen sich als hohl, denn die alten Machtstrukturen versuchen, ihre Position zu verteidigen und die Revolution zu unterdrücken. Dies wird durch das Beispiel von Baden verdeutlicht, wo dem Volk die Waffen wieder abgenommen und die Kämpfer der Revolution verhaftet werden.

Das Gedicht drückt die Enttäuschung und die wachsende Erkenntnis aus, dass die Revolution gescheitert ist. Das „Veilchen“, das die Freiheit symbolisiert, „kränkelt“ bereits nach kurzer Zeit und scheint der „fürstlichen Sonn'“ nicht gewachsen zu sein. Die Bürger haben die günstige Gelegenheit verpasst, die Freiheit zu festigen, und die alten Kräfte drohen, die Revolution rückgängig zu machen. Die Autorin stellt die Frage, wie die Freiheit in Zukunft bewahrt werden kann.

Die letzten Strophen sind ein Aufruf an das Volk, wachsam zu sein und seinen Mut nicht zu verlieren. Nur durch ständige Wachsamkeit und durch die Bereitschaft, für die Freiheit zu kämpfen („mit deinem Herzblut begießen“) kann das „Märzveilchen“ dauerhaft gedeihen. Zitz appelliert an die Eigenverantwortung des Volkes, das selbst aktiv werden muss, um die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen und zu sichern. Das Gedicht dient somit als Mahnung und als Appell an das Volk, die Revolution nicht aufzugeben, sondern für ihre Ideale zu kämpfen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.