Mädchennacht
Der Mond ist warm, die Nacht ein Alkohol,
Der rasch erglühend mein Gehirn betrat,
Und deine Nacktheit weht wie der Passat
Trocknend ins Mark.
Du hast ein weißes Fleischkleid angezogen.
Mich hungert so – ich küsse deine Lippen.
Ich reiße dir die Brüste von den Rippen,
Wenn du nicht geil bist!
– Küsse sind Funken, elektrisches Lechzen
Kupferner Lippen, und die Körper knacken!
Mit einem Sprunge sitzt mein Kuß im Nacken
Und frißt dein Bäumen und dein erstes Ächzen.
Und als ich dir die weißen Knie und,
Dein Herz verlangend, allen Körper küßte,
Geriet mein Schröpfkopf unter deine Brüste;
Da drängte sich das Herz an meinen Mund.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Mädchennacht“ von Paul Boldt ist eine stürmische, expressionistische Beschreibung eines erotischen Zusammentreffens. Es entwirft ein Bild von ungestümer Leidenschaft und körperlicher Begierde, das von einer beinahe gewalttätigen Intensität geprägt ist. Die Sprache ist roh und direkt, mit einer Bildsprache, die sowohl sinnlich als auch verstörend wirkt. Die Metaphern von „Alkohol“, „Passat“ und „Funken“ unterstreichen die überwältigende Kraft der erotischen Erfahrung, die den Sprecher in ihren Bann zieht.
Die Gewalt in der Sprache, wie in der Zeile „Ich reiße dir die Brüste von den Rippen“, ist ein Ausdruck des überwältigenden Begehrens. Es ist ein extremer Ausdruck von Zuneigung, der die Grenzen des Konventionellen sprengt. Die Verwendung von Begriffen wie „hungern“ und „Lechzen“ verstärkt das Gefühl von ungestillter Sehnsucht und unersättlichem Verlangen. Die Dichtkunst des Expressionismus spiegelte oft eine Zerrissenheit wider, einen Bruch mit traditionellen Werten und eine Konzentration auf die rohen, ungezähmten Emotionen. Hier wird diese Zerrissenheit in der ekstatischen Hingabe an die körperliche Lust dargestellt.
Das Gedicht ist in einer relativ lockeren Reimstruktur gehalten, was der wilden Unbändigkeit des Inhalts entspricht. Der rasche Wechsel von sinnlichen Bildern und aggressiven Formulierungen erzeugt eine beunruhigende Spannung. Die „weißen Knie“ und die „Brüste“ werden als zentrale Punkte der körperlichen Anziehung dargestellt. Das finale Bild, in dem das „Herz“ der Geliebten an den Mund des Sprechers drängt, symbolisiert die Verschmelzung zweier Existenzen in der Höhe der Leidenschaft.
Die Mädchennacht dient als Metapher für die Entgrenzung des Ichs im Rausch der Sinnlichkeit. Es ist ein Gedicht, das sowohl von der Ekstase als auch von der Zerstörungswut der Liebe erzählt. Der Mond, die Nacht und der Alkohol bilden den Hintergrund für dieses dramatische Spiel der Begierde, in dem die Grenzen zwischen Ich und Du verschwimmen und das Individuum in der Erfahrung des anderen aufgeht. Paul Boldt fängt in diesem Gedicht die rohe, ungeschminkte Essenz einer leidenschaftlichen Begegnung ein.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.