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Lieder des Römischen Carnevals – Siebentes Lied

Von

Nicht ermüden und ermatten,
Auch wenn kaum ein Stündchen Schlummer
Gegen Morgen dich erquicket!
So die lustige Gefährtin,
Heut′ am letzten Freudentage
Mir als trefflicher Paino,
Fein in schwarzem Kleid und Hut
Und im Busenstrich erscheinend.

Heut′ am allerletzten Tage
Sollte man nicht ausgelassen,
Gleich dem Faune, gleich dem Satyr,
Eine tolle Nymph′ im Arme,
Jubelnd seinen Thyrsus schwingen?
Und warum nicht? Rennt mit Hörnern,
Pferdefuß, in schwarz und roth
Lucifer nicht im Gedränge?

Wie man von dem Liebchen scheidend,
Noch in Einem langen Kusse
Wonn′ und Lust auf ewig trinken,
Trost für immer saugen möchte,
Wie dem Vaterland entwandernd,
Wo man Kind war, wo man liebte,
Man des Lebewohls Moment
Gerne noch verlängern möchte:

So das wilde Rom, man taumelt
Unter Taumelnden; es regnet
Heut′ zum letzten Male Blumen
Auf ein glücklich Volk, und Zucker.
Goldne Tage des Saturnus
Lebt man noch; es wäre Fabel,
Und so viele tausend Frau′n
Predigen die holde Wahrheit?

Doch es neigt sich schon die Sonne,
Schon erbraust es in der Menge,
Meilenweit vom Obeliskus
Bis zum Capitol – sie kommen –
Nein! sie fliegen – kaum vernimmst du
Ihren Hufschlag – Alles jubelt
Barberi – du schaust und sieh,
Längst sind alle schon verschwunden.

Wie ersehnt steigt jetzt die Dämm′rung
Von den mächtigen Palästen
Nieder in die tiefe Straße.
Noch ein Stündchen, Kind der Liebe,
Doch das köstlichste der Erde!
Nimm′ dir einen Sitz, ein Lichtchen,
Denn dem Weibe ziemt ein Licht,
Und dem Manne ziemt′s zu löschen.

Und schon flammet nah′ und ferne
Von Balkonen und von Fenstern,
Aus Carossen, von den Sitzen
In unzählbar vielen Händen
Durch den Nachtduft ein beweglich
Muntres Heer von kleinen Feuern,
Und ein neuer Zaubertag
Hebt nun an, dem Fest zu leuchten.

Welch ein übersinnlich Märchen,
Wie man′s oft von leichten Sylphen,
Gnomen und von Salamandern,
Nächtlich einem Kind erzählet!
Welche Welt von schönen Mädchen,
Welche Schaaren kecker Schalken,
Wie das holde Farbenreich
Aus dem Dunkel sich entfaltet.

Wie die Lichter wehn und flattern,
Und gewandte schnelle Springer
Nach dem hast′gen Flämmchen haschen;
Wie sie hüpfen, wie sie schlagen,
Wie manch bunte Feengruppe
Plötzlich in die Nacht versinket,
Und ein Schelm, des Sieges froh,
Im Gewimmel sich verlieret!

Wie sie auf die Wagen klettern,
Und von oben her geschwinde
Wie der Wind ein Licht verlöschen;
Wie sie schleichen, wie sie lauschen,
Durchs Gedränge schalkhaft schlüpfen,
Geistern oder Dieben ähnlich,
Erst nur still, dann mit Geschrei
Und mit Hohngelächter necken!

Wie der Tod des Carnevales
Mit einstimmigem Gebrülle
Sinnbetäubend aus den Kehlen
Eines Volkes sich verkündet,
Unterm dumpfen Klaggesange
Dieser Moccoli Erlöschen
Aller Freuden Ende schon
Und die Trauerzeit bedeutet.

Noch erglüht und flammt und zittert
In der farbigen Bewegung
Im phantastischzarten Spiele
Roms erneute Pracht, da löschen
Sich allmählich alle Lichter,
Und die Zauberwelt verschwindet,
Die gestaltenlose Nacht
Folget, wie der Tod dem Leben.

Und des eignen Daseins denk′ ich
Mehr als je, da mir so frühe
Das Verhängniß meiner Jugend,
Meiner Liebe, meiner Hoffnung
Süße Märchenwelt zerstörte,
So viel Schönes und Geliebtes,
So viel Flammen, so viel Lust
In den Ernst der Nacht versunken.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Lieder des Römischen Carnevals - Siebentes Lied von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lieder des Römischen Carnevals – Siebentes Lied“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger beschreibt auf eindringliche Weise das Ende des Karnevals in Rom und reflektiert gleichzeitig über die Vergänglichkeit von Freude und Schönheit.

Die ersten Strophen des Gedichts zeichnen ein lebhaftes Bild des karnevalesken Treibens, in dem der Erzähler die ausgelassene Stimmung und die Freude am letzten Tag des Festes hervorhebt. Er beschreibt die Menschen, die wie „Faune“ und „Satyre“ ausgelassen feiern, und vergleicht die Freude mit dem Wunsch, „Wonn′ und Lust auf ewig trinken“ zu wollen. Diese anfängliche Euphorie wird durch die Beschreibung der bunten Menge und des „Goldne[n] Tage[s] des Saturnus“ verstärkt, wodurch die ausgelassene Stimmung des Festes erlebbar wird.

Der Übergang zum Abschied und zur Dämmerung markiert einen entscheidenden Moment des Gedichts. Die Beschreibung der untergehenden Sonne und der anbrechenden Nacht symbolisiert das Ende des Karnevals und den Übergang zur Realität. Die „Moccoli“ – die kleinen Kerzen, die das Fest beherrschen – werden zum zentralen Symbol für die flüchtige Natur der Freude. Der Wechsel von der bunten, lebendigen Welt des Karnevals zur dunklen Nacht verdeutlicht die Vergänglichkeit und das zwangsläufige Ende von allem Schönen.

Die abschließenden Strophen des Gedichts drücken eine tiefe Melancholie und Reflexion über das eigene Leben und die eigene Jugend aus. Der Erzähler erinnert sich an die „süße Märchenwelt“, die durch das „Verhängniß“ zerstört wurde. Das Verschwinden der Lichter, die das Fest erhellten, wird zu einem Spiegelbild des Verlusts von Liebe, Hoffnung und jugendlicher Unbeschwertheit. Die Auflösung des Karnevals, das Erlöschen der Lichter und die daraus resultierende Nacht, die dem Leben folgt, werden als Metaphern für den Lauf der Zeit und die unvermeidliche Vergänglichkeit von allem verstanden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Waiblingers Gedicht nicht nur die Atmosphäre des römischen Karnevals einfängt, sondern auch eine tiefe Reflexion über die Themen Freude, Vergänglichkeit und Verlust enthält. Die präzisen Bilder und Metaphern machen das Gedicht zu einem ergreifenden Ausdruck der menschlichen Erfahrung von Glück und Trauer, wobei die Auflösung des Festes als Symbol für das Ende von Unschuld und Jugendlichkeit dient.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.