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Lieder des Römischen Carnevals – Erstes Lied

Von

Und warum nicht, heitere Muse,
Lied und Lob dem Carnevale?
Bienen konntest du besingen,
Konntest schöne Frauen ehren,
Selbst den Duft der Blumen preisen –
Und warum nicht all die Schwärme
Lust′ger, honigsüßer Feen,
Rom in Kränzen und in Blumen?

Nein, dem trunknen Taumel geb′ ich
Ungescheut mich hin, und singe,
Singe meiner Lieder Weise;
Wenn sie auch im Vaterlande
Drob mich einen Thoren schelten,
Dennoch sing′ ich, denn sie kennen
Solche Lust und solch ein Fest
Nur im Land der ew′gen Freude.

Doch, was wünsch′ ich mir zum Liede?
Der Bacchantin Glut, des Gottes
Brennend allbegeisternd Feuer?
Oder deine Götterschalkheit,
Aristophanes, ein wenig
Nur vom Geiste deiner Maske?
Wünsch′ ich, Grazien, eure Huld,
Eure Schönheit, holde Veilchen?

Und begreift ihr′s nicht, und wolltet
Ihr dem trunknen Sänger zürnen,
O ihr sah′t von Samnesertes
Obeliskus bis zum Grunde
Zu des Kapitoles Stufen,
Sah′t noch nicht die goldgestickten
Bunten Purpurteppiche
Von Balkon und Fenster wehen.

Schweiget still, ich bin im Süden;
Weiße Flocken stäuben nieder,
Aber welch ein Schnee? o schweiget!
Ja, es ist ein wilder Hagel,
Doch von Zucker, und die Erde
Deckt er weiß, von Frauenhänden
Träuft und stürmt er süß herab,
Und bedeutet Frühlingstage.

Blumen fliegen auf und nieder;
Ist es nicht, als strömten junge
Neckisch kecke Liebesgötter
Einen Regen hier von Rosen,
Dort von Veilchen in die Straße;
Nicht, als schleuderten sie lachend
Im Triumph auf Tausende
Zart verwundende Geschosse?

Hat vielleicht die Abendsonne
Schön′re Farben, oder fänd′ ich
Bunter noch die Mädchenreihen,
So unübersehbar schimmernd,
Wie sie sind? Der Sel′gen Jubel
In Elysium, er klänge
Wohl harmonischer als dies
Tausendstimmige Geschrille?

Wo die Wirklichkeit zu finden,
Das Gewöhnliche? Verzaubert
Ist die Welt; der Mensch, er wandelt
Wunderbar in seine Träume,
Seine Wünsche, seine Sehnsucht,
Seine Phantasie verkleidet,
Wie er ist, er will sich nicht,
Wie er möchte sein, nur zeigen.

Nur ein flüchtiger Bewohner
Dieser Welt, zum Scherz geboren,
Zum Moment, will er sein Dasein,
Gleich dem Schmetterling genießen,
Und dem dumpfen Haus der Puppe
In vollendeter Entfaltung
Nun entnommen, flattert er
Buhlend unter seinen Blumen.

Jene mächtigen Paläste,
Nur zur Lust des Augenblickes
Scheinen sie gebaut, es gibt ja
Kein Bedürfniß mehr, und Alles
Dient dem Schwärmer nur zur Feier
Seines Daseins, Noth und Sorgen
Kannte ja die Puppe nur,
Nicht der schmucke Sommervogel.

Und des eignen Lebens denk′ ich,
Jenes schnell zerfloßnen Zaubers
Meiner Kindheit, da die Erde,
Da der Mensch mit seinen Räthseln
Noch so farbenreich und magisch
Dem befang′nen Sinn erschienen,
Der Genuß der Gegenwart
Mir das ganze Leben dünkte.

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Gedicht: Lieder des Römischen Carnevals - Erstes Lied von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lieder des Römischen Carnevals – Erstes Lied“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine Ode an die Freude, das Fest und die Vergänglichkeit des Augenblicks, eingebettet in die lebendige Atmosphäre des römischen Karnevals. Der Dichter bekennt sich offen zur Hingabe an den Taumel und die Sinne, im Gegensatz zu einer nüchternen, vaterländischen Sichtweise.

Die erste Strophe etabliert die Thematik, indem sie die heitere Muse anruft und sie auffordert, den Karneval zu besingen, ähnlich wie sie bereits Bienen, Blumen und schöne Frauen gepriesen hat. Die folgenden Strophen malen ein buntes Bild des Karnevals, mit Zuckerhagel, Blumen, die durch die Luft fliegen, und Mädchenreihen, die in Farben schimmern. Der Dichter vergleicht das Fest mit dem Elysium und stellt die Frage nach der Wirklichkeit, wobei er diese als verzaubert und dem Moment verpflichtet beschreibt.

In den abschließenden Strophen findet eine tiefere Reflexion statt. Der Dichter beschreibt sich selbst als einen flüchtigen Bewohner dieser Welt, der wie ein Schmetterling das Leben im Augenblick genießen möchte. Die prachtvollen Paläste des Karnevals werden als Ausdruck einer Welt der puren Freude und des Hedonismus gedeutet. Der Dichter denkt an seine eigene Kindheit zurück, als die Welt für ihn voller Rätsel und Magie war und der Genuss der Gegenwart das gesamte Leben ausmachte.

Waiblinger nutzt den Karneval als Metapher für das Leben selbst – ein flüchtiges, farbenprächtiges Fest, das die Zwänge und Sorgen des Alltags transzendiert. Die Sehnsucht nach Schönheit, Freude und der unbeschwerten Kindheit wird mit der Erfahrung des Karnevals verbunden. Das Gedicht ist eine Feier des Moments, der Sinne und der Schönheit, die sich in der scheinbar vergänglichen und oberflächlichen Welt des Karnevals offenbart.

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.