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Liebe in der Fremde

Von

1

Jeder nennet froh die Seine,
Ich nur stehe hier alleine,
Denn was früge wohl die Eine:
Wen der Fremdling eben meine?
Und so muß ich, wie im Strome dort die Welle,
Ungehört verrauschen an des Frühlings Schwelle.

2

Wie kühl schweift sichs bei nächtger Stunde,
Die Zither treulich in der Hand!
Vom Hügel grüß ich in die Runde
Den Himmel und das stille Land.

Wie ist da alles so verwandelt,
Wo ich so fröhlich war, im Tal.
Im Wald wie still! Der Mond nur wandelt
Nun durch den hohen Buchensaal.

Der Winzer Jauchzen ist verklungen
Und all der bunte Lebenslauf,
Die Ströme nur, im Tal geschlungen,
Sie blicken manchmal silbern auf.

Und Nachtigallen wie aus Träumen
Erwachen oft mit süßem Schall,
Erinnernd rührt sich in den Bäumen
Ein heimlich Flüstern überall.

Die Freude kann nicht gleich verklingen,
Und von des Tages Glanz und Lust
Ist so auch mir ein heimlich Singen
Geblieben in der tiefsten Brust.

Und fröhlich greif ich in die Saiten,
O Mädchen, jenseits überm Fluß,
Du lauschest wohl und hörst vom weiten
Und kennst den Sänger an dem Gruß!

3

Über die beglänzten Gipfel
Fernher kommt es wie ein Grüßen,
Flüsternd neigen sich die Wipfel,
Als ob sie sich wollten küssen.

Ist er doch so schön und milde!
Stimmen gehen durch die Nacht,
Singen heimlich von dem Bilde –
Ach, ich bin so froh verwacht!

Plaudert nicht so laut, ihr Quellen!
Wissen darf es nicht der Morgen!
In der Mondnacht linde Wellen
Senk ich still mein Glück und Sorgen. –

4

Jetzt wandr′ ich erst gern!
Am Fenster nun lauschen
Die Mädchen, es rauschen
Die Brunnen von fern.
Aus schimmernden Büschen
Ihr Plaudern, so lieb,
Erkenn ich dazwischen,
Ich höre mein Lieb!

Kind, hüt dich! Bei Nacht
Pflegt Amor zu wandern,
Ruft leise die andern,
Da schreiten erwacht
Die Götter zur Halle
Ins Freie hinaus,
Es bringt sie dir alle
Der Dichter ins Haus.

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Gedicht: Liebe in der Fremde von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Liebe in der Fremde“ von Joseph von Eichendorff ist eine romantische Reflexion über das Gefühl der Isolation und Sehnsucht nach Liebe und Verbindung, die in der Fremde besonders spürbar wird. Es verbindet Elemente der Naturlyrik mit einer tiefen menschlichen Empfindung und schafft eine Atmosphäre melancholischer Schönheit.

Der erste Teil des Gedichts, Strophe 1, etabliert das zentrale Thema der Einsamkeit. Der Sprecher steht allein, während andere Menschen eine Geliebte haben. Er fühlt sich wie eine Welle im Strom, die ungehört verrauschen muss, was seine Hoffnungslosigkeit und seine Sehnsucht nach Verbindung verdeutlicht. Die Verwendung des Wortes „Fremdling“ im ersten Vers suggeriert eine soziale Distanz und das Gefühl, nicht dazuzugehören. Der Rest des Gedichts beschreibt die nächtliche Landschaft, in der die Stimmung der Einsamkeit und Sehnsucht verstärkt wird, und die Natur wird zum Spiegel der eigenen Gefühle.

Der zweite Teil, Strophen 2 und 3, verlagert den Fokus auf die Natur und die Erwartung von Liebe. Der Sprecher wandert durch die nächtliche Landschaft, ergreift die Zither und singt von seinem Wunsch nach Liebe. Die Beschreibung der Natur, des stillen Waldes, des Mondes und der Nachtigallen, schafft eine romantische und melancholische Atmosphäre. Es ist, als ob die Natur die Melancholie des Sprechers teilt. Durch die Erwähnung des „Mädchens“ wird eine Hoffnung auf Verbindung angedeutet, aber auch die Distanz bleibt bestehen, was in der Verwendung des Wortes „jenseits“ deutlich wird. Der dritte Teil, besonders die dritte Strophe, verstärkt die Erwartung, aber es ist immer noch eine heimliche Sehnsucht, die sich in der Nacht versteckt.

Der abschließende Teil, Strophe 4, bringt eine Auflösung. Der Sprecher ist jetzt „erst gern“ unterwegs, was eine gewisse Akzeptanz seiner Situation und eine neue Hoffnung andeutet. Die Mädchen am Fenster lauschen, und das Rauschen der Brunnen deutet auf eine mögliche Verbindung hin. Die abschließenden Zeilen, die von Amor und den Göttern handeln, deuten auf die transformative Kraft der Liebe hin. Die Gefahr der Nacht wird durch die Ankunft der Götter gemildert, die der Dichter „ins Haus“ bringt, was auf eine mögliche Erfüllung der Sehnsucht hindeutet.

Insgesamt ist das Gedicht eine melancholische, aber auch hoffnungsvolle Reflexion über die Sehnsucht nach Liebe und Zugehörigkeit in einer Welt der Fremde. Eichendorff verbindet gekonnt Naturbeobachtungen mit tiefen menschlichen Gefühlen und schafft so eine atmosphärisch dichte und emotional bewegende Komposition, die die wesentlichen Elemente der Romantik verkörpert.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.