Wohl schaut ihr die Sterne
Weit, ohne Zahl
Doch bleiben sie ferne
Euch allzumal.
Mir leuchten zwei Sterne
Mit süßem Strahl,
Die küss ich so gerne
Vieltausendmal.
Wohl schaut ihr die Sterne
Weit, ohne Zahl
Doch bleiben sie ferne
Euch allzumal.
Mir leuchten zwei Sterne
Mit süßem Strahl,
Die küss ich so gerne
Vieltausendmal.

Das Gedicht „Leid und Lust“ von Joseph von Eichendorff ist ein kurzes, elegisches Gedicht, das die menschliche Sehnsucht nach Nähe und die Erfahrung von Glück und Leid thematisiert. Es ist in zwei Strophen gegliedert, wobei die erste die Distanz und unerreichbare Schönheit der Sterne beschreibt, während die zweite Strophe die Nähe und innige Freude an den eigenen „Sternen“ hervorhebt. Die schlichte Sprache und die einfache Reimstruktur unterstreichen die Klarheit der Emotionen und die Universalität des Themas.
Die erste Strophe etabliert eine allgemeine, vielleicht sogar unpersönliche Beobachtung. Die Sterne, als Metapher für Schönheit, Erhabenheit oder unerreichbare Ideale, werden als „weit, ohne Zahl“ und daher unnahbar beschrieben. Das Subjekt der „ihr“ steht für eine unbestimmte Gruppe, die die Sterne betrachtet, aber letztendlich scheitert, sie zu erreichen. Die Distanz wird durch das Wort „ferne“ betont, wodurch die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren zum Ausdruck kommt. Dieses Gefühl der Leere und der unerfüllten Sehnsucht bildet den Kontrast zur folgenden Strophe.
Die zweite Strophe stellt einen deutlichen Gegensatz dar und fokussiert auf die individuelle, intime Erfahrung des lyrischen Ichs. Die „zwei Sterne“ leuchten dem Erzähler mit „süßem Strahl“, was auf eine persönliche, subjektive und erfreuliche Erfahrung hindeutet. Diese Sterne sind nicht mehr weit und unerreichbar, sondern nah und erlebbar. Die Wiederholung des Wortes „Sterne“ erzeugt eine klare Verbindung zwischen den beiden Strophen, wobei der Fokus von der allgemeinen Beobachtung auf die persönliche Erfahrung verschoben wird. Die Zeile „Die küss ich so gerne / Vieltausendmal“ drückt eine tiefe Zuneigung und ein Gefühl der Freude aus, das die vorherige Distanz überwindet.
Das Gedicht verdeutlicht die Dualität von Leid und Lust, indem es die Erfahrung der Sehnsucht (im Betrachten der unerreichbaren Sterne) mit der Freude an der Nähe und dem Glück der Liebe (in der Nähe der eigenen Sterne) gegenüberstellt. Der Kontrast zwischen „ferne“ und der Intimität des Küssens verdeutlicht die Bandbreite menschlicher Emotionen. Eichendorffs Gedicht ist ein bescheidener Ausdruck des Verlangens nach Verbindung und der Wertschätzung des Glücks in den kleinen, alltäglichen Freuden des Lebens. Es erinnert uns daran, dass wahres Glück oft in den Beziehungen und Erfahrungen liegt, die uns am nächsten sind, im Gegensatz zu der Suche nach unerreichbaren Idealen.
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