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Leichte Trübung

Von

Woher dies plötzliche Verstummen?
Und diese Wolken kummerschwer,
Die mir dein Angesicht vermummen,
Das erst so froh gestrahlt, woher?

„Siehst du den blauen Berg dort ragen,
Der Felsen in die Lüfte hebt,
An welchen selbst die Gemsen zagen
Und der erschrockne Jäger bebt? –
Von seinem Gipfel schleudre du
Ein Steinchen spielend in die Tiefen:
Du störst der Lüfte schwanke Ruh,
Und Nebel steigen, die dort schliefen.
So warfst du, seine Kraft nicht ahnend,
Ein Wörtchen mir in meine Brust,
Ein Wörtchen, leise, aber mahnend,
Und sieh, nun stieg der trübe Wust
Von Nebelbildern alter Kränkung
Aus ihrer stillen Nachtversenkung.“

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Gedicht: Leichte Trübung von Nikolaus Lenau

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Leichte Trübung“ von Nikolaus Lenau thematisiert auf eindringliche Weise die Auswirkungen eines scheinbar unbedeutenden Wortes auf die Gefühlswelt und die Beziehung der Liebenden. Es beginnt mit einer direkten Frage nach dem Grund für die plötzliche Verstummung und die Traurigkeit, die das Gesicht der Geliebten verfinstern. Diese Frage dient als Ausgangspunkt für eine Metapher, die die Ursache des emotionalen Wandels aufzeigt.

Lenau nutzt das Bild eines Berges, um die emotionale Reaktion zu veranschaulichen. Die Geliebte vergleicht das auslösende Wort mit einem Steinchen, das von einem Berggipfel in die Tiefe geworfen wird. Dieses harmlose Spiel hat jedoch eine verheerende Wirkung: Es stört die Ruhe der Lüfte und lässt Nebel aufsteigen, die zuvor in der Tiefe schliefen. Diese Nebelbilder symbolisieren alte Kränkungen und schmerzhafte Erfahrungen, die durch das Wort wieder an die Oberfläche gebracht wurden. Die Metapher unterstreicht die Macht von Worten, die unbewusst tiefe emotionale Wunden aufreißen können.

Die poetische Qualität des Gedichts liegt in der subtilen Verbindung von Natur und Gefühl. Die Beschreibung des Berges, der von Gemsen gemieden und von Jägern gefürchtet wird, verleiht der Metapher eine beklemmende Atmosphäre. Diese Spannung überträgt sich auf die Beziehung der Liebenden, in der ein harmloses Wort eine Kette von schmerzhaften Erinnerungen auslöst. Der Kontrast zwischen dem leichten Steinchen und den aufsteigenden Nebelbildern verdeutlicht die Diskrepanz zwischen dem bewussten Handeln und den unvorhersehbaren Folgen.

Das Gedicht endet mit der Erkenntnis, dass das auslösende Wort zwar unbedeutend erschien, aber dennoch eine tiefgreifende Wirkung hatte. Es war „leise, aber mahnend“ und weckte die Erinnerung an alte Kränkungen. Lenau verdeutlicht so die Sensibilität zwischenmenschlicher Beziehungen, in denen Worte wie kleine Steine sein können, die unvorhergesehene emotionale Lawinen auslösen. Die „leichte Trübung“ wird somit zum Symbol für die Komplexität und Verletzlichkeit der menschlichen Seele.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.