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Lehre aus Erfahrung

Von

Hat dir ein Autor Geld geliehn,
Und kommt und will den Wechsel ziehn,
Und kannst doch nicht sogleich bezahlen,
Ihm auch keinen andern Trug vormalen,
So sprich getrost: »Jetzt weiß ich schon,
′s war als die treffliche Rezension,
Wie Euer letztes Werk gelungen,
Stund in den Literaturzeitungen;
Wäret gelobt übern Schellenkönig,
Und dennoch, deucht es mir, zu wenig.
Aber könntet Ihr nicht noch borgen
Einige Zeit?« »Seid ohne Sorgen«,
Der Autor drauf ganz freundlich spricht:
»Nach meinem Geld verlangt mich nicht.
Bleibt mein Freund! ′s hat kein Gefahr,
Könnt mich bezahlen bis übers Jahr.«

Sei einer gewappnet noch so gut,
Wie Siegfried mit des Lindwurms Blut:
Du kannst ihn klüglich überwinden,
Wirst du seine finden.

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Gedicht: Lehre aus Erfahrung von Wilhelm Hauff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lehre aus Erfahrung“ von Wilhelm Hauff ist eine satirische Auseinandersetzung mit der Welt der Kunst, speziell den Gepflogenheiten von Autoren und Kritikern sowie der finanziellen Nöte, die mit dem literarischen Schaffen einhergehen können. Es zeichnet sich durch seinen ironischen Unterton aus, der durch die dialogische Form und die scheinbar naiven Reaktionen des Gläubigers entsteht.

Die erste Strophe präsentiert die Situation, in der ein Autor von einem Geldgeber zur Kasse gebeten wird. Anstatt das Geld zurückzuzahlen, greift der Autor zu einer raffinierten Taktik. Er lobt die Qualität des letzten Werks des Autors, indem er dessen Erfolg in den Literaturzeitungen hervorhebt. Dieses Lob, das übertrieben und schmeichelnd formuliert ist, dient als Ablenkung und verschafft dem Autor Zeit. Gleichzeitig suggeriert er, dass die Kritik, trotz der überschwänglichen Lobpreisung, vielleicht doch nicht ganz gerecht war – ein subtiles, aber wirkungsvolles Mittel, um den Geldgeber zu besänftigen und seinen Stolz zu schmeicheln.

Der zweite Teil des Gedichts ist der Kern der Satire. Der Geldgeber, durch die schmeichelnden Worte des Autors eingenommen, reagiert entgegen der Erwartung und bietet an, auf die Rückzahlung des Geldes zu verzichten und die Freundschaft zu pflegen, wodurch der Schuldner im Grunde von seinen Verpflichtungen befreit wird. Dies zeigt die Macht der schmeichlerischen Worte und die Eitelkeit des Autors auf. Die abschließende Weisheit, die Hauff im zweiten Teil des Gedichts in einem eher volkstümlichen Stil vermittelt, unterstreicht die Erkenntnis, dass selbst die klügsten Personen durch persönliche Eitelkeiten und Schwächen manipuliert werden können. Die Anspielung auf Siegfried und das Lindwurmblut verstärkt diesen Eindruck, da sie das scheinbare Wissen und die Unbesiegbarkeit des Helden ad absurdum führt.

Das Gedicht ist also ein Kommentar zur menschlichen Natur und zur Leichtgläubigkeit. Hauff kritisiert die Welt der Literatur und der Kunst, in der Lob und Anerkennung manchmal wichtiger erscheinen als materielle Werte. Die Botschaft ist klar: Vorsicht vor schmeichelnden Worten, denn sie können trügerisch sein und dazu dienen, eigene Vorteile zu erlangen. Die Lehre, die aus der „Erfahrung“ gezogen wird, ist eine Warnung vor der Manipulation durch Komplimente und die Bedeutung von ehrlicher, statt übertriebener Bewertung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.