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Kritik

Von

Hör mir nicht auf solch Geschwätze,
Liebes Herz, daß wir Poeten
Schon genug der Liebeslieder,
Ja zuviel gedichtet hätten.

Ach, es sind so kläglich wenig,
Denn ich zählte sie im stillen,
Kaum genug, dein Nadelbüchlein
Schicklich damit anzufüllen.

Lieder, die von Liebe reimen,
Kommen Tag für Tage wieder;
Doch wir zwei Verliebte sprechen:
Das sind keine Liebeslieder.

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Gedicht: Kritik von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Kritik“ von Theodor Storm ist eine charmante Auseinandersetzung mit der scheinbaren Übersättigung der Literatur mit Liebesliedern, die jedoch durch die Augen eines Liebenden betrachtet wird. Es beginnt mit einer direkten Anrede und einer leichten Ablehnung der Kritik, dass bereits genug Liebeslieder geschrieben wurden. Der Dichter richtet sich direkt an sein „liebes Herz“ und deutet die Absurdität einer solchen Aussage an. Die ersten beiden Strophen etablieren bereits einen Kontrast zwischen der öffentlichen Meinung und der subjektiven Erfahrung des Liebenden.

Der Kern der Interpretation liegt in der zweiten Strophe, in der der Dichter humorvoll darlegt, dass es „so kläglich wenig“ Liebeslieder gibt, zumindest im Vergleich zu dem, was er empfindet. Die Metapher des „Nadelbüchlein“ verstärkt diese Vorstellung. Der Dichter scheint die Notwendigkeit zu verspüren, seine geliebte Person mit Liebesliedern zu überschütten, wie ein Liebhaber, der versucht, seine Zuneigung zu beweisen. Das Gedicht offenbart damit die individuelle Wahrnehmung der Liebe und der literarischen Konventionen.

Die abschließende Strophe verstärkt diesen Kontrast noch weiter. Sie unterstreicht die Diskrepanz zwischen den allgemein akzeptierten Liebesliedern und dem, was zwei Liebende als wahre Liebeslieder empfinden. Die Wiederholung des Wortes „Liebeslieder“ unterstreicht die Bedeutung und die persönliche Wertigkeit, die Storms Dichter der Liebe und ihrer literarischen Repräsentation beimisst. Hier wird eine klare Unterscheidung getroffen: Nicht jedes Lied über die Liebe ist auch ein wahres Liebeslied für die beiden Liebenden selbst.

Storm spielt subtil mit der Ironie der Situation. Er weiß, dass er gegen die allgemeine Kritik an der Fülle der Liebeslieder argumentiert, aber er tut dies mit einem Augenzwinkern, das von Liebe und der einzigartigen Erfahrung der Verliebten geprägt ist. Das Gedicht feiert die Individualität der Liebe und deren Ausdruck durch die Kunst, indem es die Bedeutung der eigenen Gefühle über die gängigen literarischen Konventionen stellt. Es ist ein Bekenntnis zur Unersättlichkeit der Liebe und des Wunsches, sie immer wieder neu und auf seine eigene Art auszudrücken.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.