Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , ,

Die Sommernacht

Von

Nein! Nichts übertrifft doch die kühlenden Nächte,
Die Nächte nach hitzigen Tages des Sommers!
Erquickende Wollust durchdringet die Glieder,
Und stärkt und belebt!

Verführerisch tönen der Nachtigall Lieder;
Aus jedem Gebüsche schallt Wollust und Liebe;
Es rauschen die schwankenden Äste gelinder,
Und hören ihr zu.

Unzählige Blumen verhauchen hier Düfte!
Der wachen Viole, der taumelnden Rose
Balsamische, reine, gesunde Gerüche
Erfüllen die Luft.

Am blauen Gewölbe der oberen Lüfte
Erscheinet Diane, im blassen Gewande,
Mit Sternen umgeben, durchjagt sie den Himmel
Zwar schnell, aber still

Vom Schlafe verscheuchete Sorgen fliehn, schwindlicht,
Und kommen am Fenster des Nachbars zusammen,
Um gleich mit dem frühesten Strale der Sonne
Im Zimmer zu seyn.

Der Geizhals mag immer mit Sorgen sich schlagen!
Mir folgen nur wenig und kleinere Sorgen,
Noch sattsam bescheiden in ihrer Verfolgung.
Die Schultern umhüllt.

Ein durchsichtger Flor. Doch die streitbaren Scherze,
Anakreons, Gleimens und Hagedorns Scherze,
Bekämpfen, besiegen, verjagen die Sorgen,
Und klatschen sie aus.

Was hör ich? Dort rasselt der Wagen der Sonne!
Wo bist du Diane? In welcher Entfernung
Entfliehst du dem Lärme des kommenden Tages!
O schmerzliche Flucht!

Nein! Nichts übertrifft doch die kühlenden Nächte!
Und hätt ich des Nachts die Gesellschaft der Freunde,
Die itzt denen Tagen den Vorzug noch geben;
So lebt ich nur Nachts.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Sommernacht von Johanne Charlotte Unzer

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Sommernacht“ von Johanne Charlotte Unzer ist eine Lobpreisung der nächtlichen Natur und ihrer sinnlichen wie seelischen Wohltaten. Es entfaltet ein poetisches Bild der Sommernacht als Gegenwelt zum lärmenden Tag – als Ort der Ruhe, Schönheit, Liebe und geistigen Freiheit. In einer klar gegliederten, hymnischen Struktur verbindet Unzer sinnliche Naturwahrnehmung mit mythologischen Bildern und einem aufklärerischen Lebensgefühl.

Bereits in der ersten Strophe stellt das lyrische Ich die nächtliche Erfrischung der „kühlenden Nächte“ über die Hitze des Tages. Die körperliche Erleichterung wird nicht nur als bloßer Temperaturwechsel beschrieben, sondern als „erquickende Wollust“, die Körper und Geist stärkt. Damit wird die Nacht nicht nur als Erholung, sondern als aktive Kraft der Lebendigkeit dargestellt.

Es folgt eine Beschreibung der nächtlichen Klang- und Duftkulisse: Die Nachtigall wird zur Verführerin, die Bäume lauschen ihrem Gesang, Blumen wie Rose und Veilchen verströmen betörende Düfte. Diese sinnenhafte Naturdarstellung steigert sich zu einem idealisierten, fast erotischen Naturerlebnis. Die „Wollust und Liebe“ sind allgegenwärtig – jedoch in einem zarten, fast unschuldigen Ton, der dem empfindsamen Stil des 18. Jahrhunderts entspricht.

Unzer erweitert das Bild um eine mythologische Dimension: Die Mondgöttin Diana durchquert den Himmel im „blassen Gewande“, umgeben von Sternen. Diese Szene verleiht der Nacht eine würdevolle, stille Erhabenheit – kontrastierend zum „Lärme des kommenden Tages“, der mit dem Sonnenwagen ankündigt wird. Die Flucht Dianas markiert den Übergang zurück in die rastlose Welt des Tages, der im Gedicht als Verlust empfunden wird.

In den späteren Strophen richtet sich die Perspektive stärker auf das eigene Erleben: Während der „Geizhals“ von Sorgen geplagt wird, beschreibt sich das lyrische Ich als nur leicht verfolgt von „wenig und kleineren Sorgen“. Diese werden spielerisch von den „scherzbaren“ Versen anakreontischer Dichter (Anakreon, Gleim, Hagedorn) vertrieben. Hier schwingt eine aufklärerische, lebensfrohe Haltung mit – Literatur als Mittel gegen Melancholie und Alltagssorgen.

Die abschließenden Zeilen bringen die zentrale Aussage auf den Punkt: Hätte man des Nachts auch noch die Gesellschaft der Freunde, wäre die Nacht der einzig wahre Lebensraum. Damit wird die Nacht nicht nur zum sinnlichen Erlebnisraum, sondern auch zum Idealbild eines geselligen, geistvollen und selbstbestimmten Lebens. Unzers Gedicht feiert die Nacht in einer Sprache der empfindsamen Aufklärung – zart, bilderreich und zugleich mit einem klaren Bekenntnis zur Lebensfreude.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.