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Wir sind, sagen die Lauen

Von

Wir sind, sagen die Lauen,
Wir sind nicht objektiv.
Wir sollten doch tiefer schauen,
Doch schauen, ob nicht tief
Am Nazitum was dran sei,
Ob Hitler nicht doch ein Mann sei.

Wir haben alles erwogen,
Wir wussten alles zuvor,
Mal hat man uns nicht betrogen,
Man machte uns nicht vor,
Dass rechts links und gerade schief sei
Und dass alles relativ sei.

Unrelative Lumpen hausen bei uns zu Haus,
Und hauen das Land in Klumpen.
Ist relativ der Graus?
Da sollen wir objektiv sein,
Wir sollen so naiv sein!

Wir kennen die einfache Wahrheit,
Wir sehen durch ein scharfes Glas.
Und unsere Lehre ist Klarheit.
Und unsere Lehre ist Hass.
Der Hass, der groß und weitsichtig ist,
Der schaffende Hass der wichtig ist.

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Gedicht: Wir sind, sagen die Lauen von Joachim Ringelnatz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wir sind, sagen die Lauen“ von Joachim Ringelnatz ist eine scharfe und eindringliche Auseinandersetzung mit der politischen und moralischen Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus. Bereits im ersten Abschnitt kritisiert Ringelnatz die sogenannten „Lauen“ – Menschen, die angesichts des aufkommenden Nazismus unsicher und zaudernd reagieren. Er zeigt auf, wie sie versuchen, in vermeintlicher Objektivität auch dem Bösen noch etwas Gutes abzugewinnen, statt klar Stellung zu beziehen.

Im zweiten Teil des Gedichts legt Ringelnatz die Selbsttäuschung dieser Menschen offen. Ihr Beharren auf Relativität, ihre Weigerung, Gut und Böse klar zu unterscheiden, wird als realitätsfern und gefährlich dargestellt. Die Zeilen vermitteln eine scharfe Ablehnung gegenüber der Beliebigkeit moralischer Urteile, die in einer Zeit großer Gefahren fatale Folgen haben kann.

Die dritte Strophe richtet sich direkt gegen die Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen. Ringelnatz lehnt die Forderung nach „Objektivität“ entschieden ab und brandmarkt sie als Naivität. In deutlichen Worten beschreibt er, wie die „unrelativen Lumpen“ das Land zerstören und dass in solchen Zeiten kein Platz für abwägendes Zögern bleibt.

Im letzten Teil formuliert Ringelnatz eine klare Gegenposition: Die Wahrheit sei einfach, der Blick müsse scharf und unmissverständlich sein. Seine Forderung nach „Hass“ wirkt zunächst drastisch, doch im Kontext wird deutlich, dass er hier einen Hass auf das Unrecht und die Zerstörung meint – einen schöpferischen, klaren Widerstand gegen das verbrecherische System. Das Gedicht ist somit ein kraftvolles Plädoyer für moralische Entschlossenheit und gegen gefährliche Gleichgültigkeit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.