In Venedig
Stille in nächtigem Zimmer.
Silbern flackert der Leuchter
Vor dem singenden Odem
Des Einsamen;
Zaubrisches Rosengewölk.
Schwärzlicher Fliegenschwarm
Verdunkelt den steinernen Raum,
Und es starrt von der Qual
Des goldenen Tags das Haupt
Des Heimatlosen.
Reglos nachtet das Meer.
Stern und schwärzliche Fahrt
Entschwand am Kanal.
Kind, dein kränkliches Lächeln
Folgte mir leise im Schlaf.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „In Venedig“ von Georg Trakl ist ein melancholisches und düsteres Stimmungsbild, das die Atmosphäre der Isolation und des Verlustes in einer venezianischen Nacht einfängt. Der Autor bedient sich einer sparsamen, aber eindringlichen Sprache, um eine Atmosphäre der Einsamkeit und des Verfalls zu erzeugen. Die kurzen Verse und die knappen, assoziationsreichen Bilder evozieren eine beklemmende Stimmung, die den Leser tief in die seelische Verfassung des lyrischen Ichs eintauchen lässt.
Die ersten Zeilen beschreiben eine Szene der Stille und Einsamkeit. Das „silbern flackernde Leuchter“ erhellt das „nächte Zimmer“, während der „singende Odem des Einsamen“ von einem inneren Monolog zeugt. Das „zauberische Rosengewölk“ könnte als Erinnerung an eine vergangene Schönheit oder Glück verstanden werden, die nun verblasst ist. Die Verwendung von Adjektiven wie „silbern“ und „zauberisch“ erzeugt einen Kontrast zur späteren Dunkelheit und Schwärze, wodurch die Tragweite des Verlustes verstärkt wird.
Der zweite Teil des Gedichts wird von Bildern der Dunkelheit und des Verfalls dominiert. Der „schwärzliche Fliegenschwarm“, der den „steinernen Raum“ verdunkelt, symbolisiert Unheil und Zerstörung. Das „Haupt des Heimatlosen“ erstarrt angesichts der „Qual des goldenen Tags“, was auf eine tiefe innere Zerrissenheit und die Unfähigkeit, Trost zu finden, hindeutet. Die Welt scheint in ihren Grundfesten erschüttert zu sein, und das lyrische Ich ist von Verzweiflung geplagt.
Das Gedicht endet mit dem Bild des Meeres, das „reglos nachtet“, und einer „schwarzen Fahrt“, die am Kanal „entschwand“. Die letzten Zeilen sprechen von einem „Kind“, dessen „kränkliches Lächeln“ im Schlaf nachklingt. Dieses Kind, möglicherweise ein Sinnbild für Unschuld oder eine verlorene Liebe, wird als eine Quelle von Trauer und Sehnsucht dargestellt. Die Erinnerung an das Kind verfolgt das lyrische Ich und unterstreicht die Tragik und den Verlust, die das Gedicht durchziehen. Die Melancholie und die düstere Stimmung werden somit bis zum Schluss aufrechterhalten, wobei die letzten Worte einen Hauch von Hoffnungslosigkeit vermitteln.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.