In graues Grün
In graues Grün
verdämmern Riesenstämme
Von greisen Aesten
hängt
in langen Bärten Moos.
Irgendwo.. hämmernd.. ein Specht.
Kommt der Wolf? Wächst das Wunschkraut hier?
Wird auf ihrem weissen Zelter,
lächelnd,
auf mein klopfendes Herz zu,
die Prinzessin reiten?
Nichts.
Wie schwarze Urweltkröten,
regungslos,
hockt am Weg der Wachholder.
Zwischendurch
giftrot
leuchten Fliegenpilze.
(aus Phantasus)
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „In graues Grün“ von Arno Holz beschreibt eine beklemmende, unwirkliche Waldszene, die von einer tiefen Melancholie durchzogen ist. Die Beschreibung beginnt mit dem „grauen Grün“ und den „Riesenstämmen“, die sofort eine düstere, fast schon unheimliche Atmosphäre erzeugen. Das „Verdämmern“ deutet auf ein schwindendes Licht und eine verlangsamte Zeitwahrnehmung hin, die den Leser in den Bann zieht und auf die folgenden, unheilvollen Beobachtungen vorbereitet. Die Sprache ist sparsam, aber bildhaft, und vermittelt ein Gefühl von Verlassenheit und Isolation.
Der zweite Teil des Gedichts fügt weitere Elemente hinzu, die die Stimmung verdichten. Die „greisen Äste“ mit dem „Moos“ verstärken den Eindruck des Verfalls und der Vergänglichkeit. Der „Specht“, der „irgendwo.. hämmernd..“ arbeitet, ist das einzige Lebenszeichen in dieser Szene, aber seine Aktivität wirkt eher wie ein Störfaktor, der die Stille nur unterbricht, ohne sie zu beleben. Die Frage nach dem „Wolf“ und dem „Wunschkraut“ deutet auf verborgene Gefahren und unerfüllte Sehnsüchte hin. Das Gedicht spielt hier mit den traditionellen Motiven des Märchens und der Sehnsucht nach Erfüllung, die jedoch in dieser trostlosen Umgebung unerreichbar scheinen.
Der poetische Höhepunkt des Gedichts ist die imaginäre Ankunft der „Prinzessin“ auf ihrem „weissen Zelter“. Dieses Bild steht im deutlichen Kontrast zur vorherrschenden Tristesse und erzeugt eine kurzzeitige Hoffnung auf Erlösung und Erfüllung der Sehnsüchte des lyrischen Ichs. Das „klopfende Herz“ verrät die Ungeduld und die Sehnsucht nach dieser imaginären Begegnung. Doch diese Hoffnung wird abrupt durch das „Nichts“ zerschlagen, welches die vorhergehende Zeile des Gedichts beantwortet.
Die abschließenden Verse verstärken das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Die „Urweltkröten“ und die „Fliegenpilze“ stehen für etwas Unheimliches, Giftiges und Bedrohliches. Sie symbolisieren die Präsenz des Todes, der Unbeirrbarkeit und des drohenden Verfalls. Der Kontrast zwischen den leuchtenden Farben der „giftroten Fliegenpilze“ und dem grauen Grün des Waldes unterstreicht die Zerrissenheit zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das Gedicht endet mit einem Gefühl der Leere, das durch die Unfähigkeit, die Sehnsüchte zu befriedigen, verstärkt wird.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.