In gelben Buchten
In gelben Buchten sogen wir der Fernen
Verspülte Lüfte, die von Städten wissen,
Wo Lüste grünen, angerührt von Wahnsinn.
Wir schwammen auf dem Fieberschiff stromauf
Und sonnten unsre Leiber an dem Buhlen
Waldheißer Panther, die der Sommer quält.
Der Klapperschlange nacktes Schlammgeringel
Wand sich verstört, als wir vorüberkamen,
Und in verschlafnen Dörfern gurgelte die Lust.
Ein warmer, satter Wind strich durch die Palmen. –
Ich sah dich weiß von Schlaf.
Und als ich von dir ebbte, hoch erhoben
Von meinem stolzen, satt gestürmten Blut:
O Sturm der Nächte, der mich Blut-wärts zog
Zu kühnen, die entdeckten Ländergürteln:
O schwül Geliebte! Strom der Geheimnisse!
Verschlafenes Land! Im Süden! O Sommer-Qual!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „In gelben Buchten“ von Ernst Wilhelm Lotz entführt den Leser in eine sinnliche und zugleich bedrohliche Welt, in der das Begehren, der Wahnsinn und die Vergänglichkeit allgegenwärtig sind. Die anfängliche Beschreibung der „gelben Buchten“ und der „verspülten Lüfte“ schafft eine Atmosphäre der Ferne und des Geheimnisvollen, die durch die metaphorischen Bilder der Städte mit ihren „Lüsten“ und der „waldheißen Panther“ noch verstärkt wird. Der „Fieberschiff“-Vergleich deutet bereits auf die krankhafte Intensität der Erfahrungen hin, die in dieser Welt gemacht werden.
Die zweite Strophe markiert einen deutlichen Übergang von der äußeren Landschaft zur inneren Erfahrung. Der Erzähler wendet sich direkt an eine Geliebte, die „weiß von Schlaf“ ist. Dies signalisiert eine Trennung, ein Abschiednehmen, das durch das „Ebben“ von der Geliebten und das „hoch erhoben“ von dem eigenen, „stürmten Blut“ unterstrichen wird. Das Gedicht wird zu einer Liebeserklärung an die Nacht, den Sturm und die „kühnen, die entdeckten Ländergürteln“ der Leidenschaft, aber auch zu einem Geständnis der Sehnsucht und des Schmerzes, die mit dieser Leidenschaft verbunden sind.
Die wiederholte Anrufung der „Geliebten“ und die Ausrufe „O Sturm der Nächte“, „O schwül Geliebte!“ und „O Sommer-Qual!“ verleihen dem Gedicht eine emotionale Intensität und Ausdrucksstärke. Die Verwendung von Metaphern wie „Strom der Geheimnisse“ und „verschlafenes Land“ verweist auf die Tiefe und Unfassbarkeit der Liebe und des Begehrens. Gleichzeitig implizieren die Bilder von Hitze, Schwüle und Krankheit eine gewisse Destruktivität, die mit der leidenschaftlichen Erfahrung einhergeht. Die Sommer-Qual könnte dabei als eine Metapher für das Vergehen des Glücks oder der Ekstase verstanden werden.
Insgesamt ist das Gedicht eine melancholische Ode an die Liebe, das Begehren und die Vergänglichkeit. Es beschreibt eine Welt voller Sinnlichkeit und Exotik, in der das Glück eng mit dem Leid verbunden ist. Die poetische Sprache, die reich an Bildern und Metaphern ist, erzeugt eine Atmosphäre von Intensität und Geheimnis, die den Leser in den Bann zieht und zum Nachdenken über die Natur der menschlichen Erfahrung anregt. Die Verbindung von Schönheit und Gefahr, von Ekstase und Schmerz, macht dieses Gedicht zu einem eindrucksvollen Zeugnis der frühen Moderne.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.