Im kurzen Abend
Im kurzen Abend. Voll Wind ist die Stunde,
Und die Röte so tief und so winterlich klein.
Unsere Hand, die sich zagend gefunden,
Bald wird sie frieren und einsam sein.
Und die Sterne sind hoch in verblassenden Weiten
Wenige erst, auseinander gerückt.
Unsere Pfade sind dunkel, und Weiden breiten
Ihre Schatten darauf, in Trauer gebückt.
Schilf rauschet uns. Und die Irrwische scheinen,
Die wir ein dunkeles Schicksal erlost.
Behüte dein Herz, dann wird es nicht weinen
Unter dem fallenden Jahr ohne Trost.
Was dich schmerzet, ich sag es im Bösen.
Und uns quälet ein fremdes Wort.
Unsere Hände werden im Dunkel sich lösen,
Und mein Herz wird sein wie ein kahler Ort.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Im kurzen Abend“ von Georg Heym ist eine melancholische Reflexion über die Vergänglichkeit der Liebe und die drohende Einsamkeit in einer kalten, unwirtlichen Welt. Der Titel selbst deutet auf eine begrenzte Zeit des Glücks hin, die von einer kurzen, dunklen Jahreszeit umgeben ist. Die Natur spielt eine wichtige Rolle, indem sie die Stimmung des Gedichts widerspiegelt und die zunehmende Isolation der Liebenden verstärkt.
In den ersten beiden Strophen wird die Atmosphäre der Herbst- oder Winterzeit durch Bilder wie „Wind“, „Röte“ (in winterlich kleinem Ausmaß) und „verblassende Weiten“ erzeugt. Die „zagend gefundenen“ Hände, ein Zeichen der beginnenden Liebe, werden durch die bevorstehende Kälte bedroht. Die „dunklen Pfade“ und die „in Trauer gebückten“ Weiden verstärken die Vorahnung des Verlustes und der Trennung. Die Sterne, die sich „auseinander gerückt“ haben, symbolisieren das Verblassen der Hoffnung und die Zersplitterung der Beziehung. Die Natur wird somit zum Spiegel der emotionalen Verfassung der Sprecher.
Die dritte Strophe fügt eine mystische und beunruhigende Note hinzu. Das „Schilf rauscht uns“ und die „Irrwische scheinen“ lassen eine unheimliche Atmosphäre entstehen, die auf ein dunkles Schicksal hindeutet. Die Zeile „Behüte dein Herz, dann wird es nicht weinen“ ist ein verzweifelter Appell, die Emotionen zu schützen, da die kommende Zeit voller Leid sein wird. Dies unterstreicht die Ohnmacht der Liebenden gegenüber dem drohenden Unheil, das sie überfordert.
Die abschließende Strophe manifestiert die Gewissheit des Abschieds und der Einsamkeit. Die Aussage „Was dich schmerzet, ich sag es im Bösen“ deutet auf eine gewisse Resignation und die Unfähigkeit, das Unvermeidliche zu verhindern, hin. Die „fremden Wort“ und die im Dunkel sich lösenden Hände sind klare Zeichen der Trennung. Das „kahle Ort“ des Herzens des Sprechers ist das düstere Ergebnis, der Ausdruck der Leere und des Verlustes, der nach dem Ende der Beziehung zurückbleibt. Das Gedicht endet somit mit einer tiefen Trauer und dem Gefühl der Verlorenheit.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.