II. Mîn liebeste und ouch mîn êrste
I
Mîn liebeste und ouch mîn êrste
vreude was ein wîp,
der ich mînen lîp
gap ze dienste iemer mê.
daz hôhste und ouch daz hêrste
an dem herzen mîn,
seht, daz muoz si sîn,
der ich selten vrô gestên.
Ir tuot leider wê
beide mîn sprechen und mîn singen.
des muoz ich an vreuden mich nu twingen
unde trûren, swar ich gê.
II
Waer ir mit mîme sange
wol, sô sunge ich ir.
sus verbôt siz mir,
und ir taete mîn swîgen baz.
nu swîge aber ich ze lange.
solde ich singen mê,
daz taete ich als ê.
wie zimt mîner vrouwen daz,
Daz si mîn vergaz
und verseite mir ir hulde?
ôwê des, wie rehte unsanfte ich dulde
beide ir spot unde ouch ir haz!
III
Nu râtent, liebe vrouwen,
waz ich singen muge,
sô daz ez iuch tuge!
sanc ist âne vreude kranc.
ich enhân niht wan ein schouwen
von ir und den gruoz,
den si teilen muoz
al der welte sunder danc.
Diu zît ist ze lanc
âne vreude und âne wunne.
nû lâ sehen, wer mich gelêren kunne,
daz ich singe niuwen sanc!
IV
Vil wîplîch wîp, nu wende
mîne sende klage,
die ich tougen trage,
dû weist wol, wie lange zît.
ein saelden rîchez ende,
wirt mir daz von dir,
sô siht man an mir
vröide âne allen widerstrît,
Sît daz an der lît
mînes herzen hôchgemüete.
maht du troesten mich dur wîbes güete,
sît dîn trôst mir vröide gît?
V
Ich sihe wol, daz mîn vrouwe
mir ist vil gehaz.
doch versuoche ichz baz,
in verdiene ir werden gruoz.
des ich ir wol getrouwe,
daz hât sî versworn.
ir ist leider zorn,
daz ichz der werlte künden muoz,
Daz ich niemer vuoz
von ir dienste mich gescheide,
ez kom mir ze liebe alder ze leide.
lîhte wirt mir swaere buoz.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „II. Mîn liebeste und ouch mîn êrste“ von Heinrich von Morungen ist eine Minnelied, das die Thematik der unerwiderten Liebe und des Leidens des Liebenden zum Ausdruck bringt. Das Gedicht ist in fünf Strophen gegliedert, die die verschiedenen Stadien der Verzweiflung und Hoffnung des Dichters widerspiegeln.
In der ersten Strophe drückt der Dichter seine tiefe Liebe und Hingabe zu seiner Geliebten aus, die er als seine erste Freude und den Mittelpunkt seines Herzens bezeichnet. Er betont die ewige Natur seiner Liebe, die sich in seinem Dienst an ihr manifestiert. Doch trotz seiner Treue und Verehrung findet er keine Gegenliebe, was ihn in Trauer und Leid versetzt. Die Worte der Geliebten und sein Gesang bereiten ihm Schmerzen.
Die zweite Strophe enthüllt das Ausmaß des Leidens des Dichters. Seine Geliebte hat ihm verboten, für sie zu singen, was seine Hoffnung auf Glück zerstört. Er fragt sich, warum sie ihn vergessen und ihm ihre Gunst versagt hat. Die Verzweiflung des Dichters über die Zurückweisung durch seine Geliebte wird durch seine Klage über ihren Spott und ihren Hass verstärkt. Er findet keinen Trost.
Die dritte Strophe ist ein Aufruf an andere Frauen, ihm Rat zu geben, wie er singen soll, um die Gunst seiner Geliebten zurückzugewinnen. Er erkennt, dass Gesang ohne Freude schwach ist und drückt sein Gefühl aus, nur einen Blick auf sie und ihren Gruß zu haben, den sie widerwillig mit der Welt teilt. Die Sehnsucht nach Freude und Glück in ihrem Dienst ist stark.
In der vierten Strophe fleht der Dichter seine Geliebte an, sein Leid zu wenden und ihm ein glückliches Ende zu ermöglichen. Er bittet sie, ihn zu trösten und ihm Freude zu schenken. Die Hoffnung auf Erfüllung seiner Liebe wird hier deutlich, wobei er auf die Macht der Frau, sein Herz zu erfreuen, anspielt. Es zeigt sich hier wie sehr der Dichter in ihr und ihr Handeln verfangen ist.
Die letzte Strophe zeigt das Ringen des Dichters mit den widersprüchlichen Gefühlen von Liebe und Schmerz. Er erkennt, dass seine Geliebte ihm feindlich gesinnt ist, versucht aber weiterhin, ihre Gunst zu gewinnen. Er ist bereit, ihr weiterhin zu dienen, egal ob es ihm Freude oder Leid bringt, und akzeptiert die Möglichkeit, dass er für seine Bemühungen büßen muss. Die ewige Treue zu seiner Geliebten steht im Vordergrund.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.