Ihre Genesung
Deine Freundin, Natur! leidet und schläft und du
Allbelebende, säumst? ach! und ihr heilt sie nicht,
Mächt′ge Lüfte des Aethers,
Nicht ihr Quellen des Sonnenlichts?
Alle Blumen der Erd′, alle die fröhlichen,
Schönen Früchte des Hains, heitern sie alle nicht
Dieses Leben, ihr Götter!
Das ihr selber in Lieb′ erzogt? –
Ach! schon athmet und tönt heilige Lebenslust
Ihr im reizenden Wort wieder wie sonst und schon
Glänzt das Auge des Lieblings
Freundlichoffen, Natur! dich an.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Ihre Genesung“ von Friedrich Hölderlin ist eine ergreifende Ode an die Natur, die gleichzeitig eine Klage und eine Feier der Heilung darstellt. Der Dichter wendet sich direkt an die Natur und beschreibt ihre vermeintliche Krankheit und ihren Schlaf, um dann die Frage aufzuwerfen, warum sie nicht von den Elementen wie den „mächt’gen Lüften des Aethers“ und dem „Sonnenlicht“ geheilt wird. Die ersten beiden Strophen malen ein Bild des Leidens und der Enttäuschung, da die Natur, die Freundin des Dichters, in ihrer Vitalität eingeschränkt zu sein scheint.
Die zweite Strophe verstärkt diese Klage, indem sie die Schönheit und den Reichtum der Natur, repräsentiert durch die Blumen und Früchte, hervorhebt, die jedoch keinen Trost spenden können. Hölderlin wirft eine Frage nach dem Sinn des Leidens auf, indem er die Götter anspricht und sie daran erinnert, wie sie selbst die Natur in Liebe „erzogen“ haben. Diese direkte Ansprache und die Verwendung von Ausrufezeichen verleihen dem Gedicht eine emotionale Intensität, die die tiefe Sorge des Dichters um die Natur widerspiegelt.
Die letzte Strophe markiert einen entscheidenden Umschwung und deutet die Genesung der Natur an. Die Zeilen „Ach! schon athmet und tönt heilige Lebenslust / Ihr im reizenden Wort wieder wie sonst und schon / Glänzt das Auge des Lieblings / Freundlichoffen, Natur! dich an“ lassen auf eine Rückkehr zur Lebenskraft schließen. Die Natur atmet und tönt wieder mit der „heilige Lebenslust“, was durch die „reizenden Wort“ und das freundliche Auge des „Lieblings“ (vermutlich die Natur selbst) visualisiert wird. Dies deutet auf eine Erholung von der vermeintlichen Krankheit hin.
Die Interpretation kann darin bestehen, dass das Gedicht ein Sinnbild für die Zyklen des Lebens und der Natur ist, mit Phasen des Leidens, der Erschöpfung und der anschließenden Erholung und Erneuerung. Hölderlin verbindet hier das persönliche Empfinden mit dem kosmischen Kreislauf, indem er die Natur als eine geliebte Freundin darstellt, deren Leiden ihn tief berührt. Die Genesung symbolisiert die Hoffnung auf Wiedergeburt und die Beständigkeit der Schönheit und Kraft, die in der Natur und ihrer Beziehung zum Menschen liegen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.