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Hoffe!

Von

Stimme von dem braunen Hügel,
Die du oft ins stille Tal
Widertönst die lauten Worte,
Lieben trauten Widerhall,
Stimme, die du meine Lieder,
Die Akkorde meiner Zither
Widertönst, erschalle,
Gib nicht neckend meine Frage wieder,
Gib mir Antwort, Stimm im stillen Tale.

Stiller Strom im grauen Bette,
Eile nicht so schnell davon,
Daß mein Ohr einmal verstände
Deiner Wellen leisen Ton;
Deine schönen Silberquellen
Sollen traulich mir erzählen,
Rausche lauter, rausche,
Sprich zu meinem Ohr aus deinen Wellen,
Daß ich deine Sagen mir erlausche.

Die ihr an dem alten Turme
Oft im Mondesschimmer webt
Und in nächtlich-stiller Stunde
Durch den blassen Hain entschwebt,
Nebelschatten alter Helden,
Ach, daß sie mir [doch] erzählten,
Steht mir Red, ich frage,
Wollt ihr nichts aus euren Tagen melden,
O wie gerne lauscht ich eurer Sage.

Von den alten öden Zinnen
Schauen düster sie herab,
Ach! sie blicken von den Türmen
Schweigend in ein ödes Grab;
Alles Edle ist verklungen,
Alles hat die Zeit verschlungen,
Dem Geschlecht hienieden,
Das so tief in seinem Fluch gesunken,
Haben keine Antwort sie beschieden!

Auch des Stromes stille Wellen
Haben schönre Zeit gesehen,
Als noch edlere Geschlechter
Bauten auf der Berge Höhen,
Stolz verachtet er die Frage,
Übertönet meine Klage,
Seine blauen Wogen
Denken schweigend jener schönen Tage,
Schweigend sind durchs Tal sie hingezogen.

Und so steh ich denn alleine
In der stillen Mondesnacht,
Weine um die trüben Zeiten,
Ob kein neu Geschlecht erwacht?
Ach, daß sich mein Volk ermannte,
Daß es sprengte seine Bande!
Ob ich wohl noch hoffe?
Lautlos fließt der Strom vom grauen Strande,
Nur das leise Echo ruft mir: »Hoffe!«

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Gedicht: Hoffe! von Wilhelm Hauff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Hoffe!“ von Wilhelm Hauff ist eine melancholische Reflexion über die Vergänglichkeit, den Verlust von vergangenen Idealen und die Suche nach Hoffnung in einer trostlosen Gegenwart. Das lyrische Ich wendet sich an verschiedene Elemente der Natur – Hügel, Strom und Nebelgeister – in der Hoffnung, Antworten auf seine Fragen zu finden. Diese Elemente, die als Zeugen vergangener Zeiten fungieren könnten, werden jedoch als stumm und unfähig, die ersehnte Auskunft zu geben, dargestellt.

Die ersten Strophen des Gedichts sind von einer Sehnsucht nach Verständnis und einer Hoffnung auf Trost geprägt. Das lyrische Ich bittet die Natur, seine Fragen zu beantworten, seine Lieder widerzuspiegeln und ihm von vergangenen Zeiten zu erzählen. Die wiederholte Verwendung von Aufforderungen („Widertönst“, „erschalle“, „Gib“, „Rausche“) unterstreicht die dringende Suche nach einer Antwort. Die Natur wird zunächst als potentieller Gesprächspartner imaginiert, der jedoch im Verlauf des Gedichts zunehmend stumm und unnahbar erscheint. Diese Stille verstärkt das Gefühl der Einsamkeit und Verzweiflung des lyrischen Ichs.

Die mittlere Phase des Gedichts wird durch eine zunehmende Ernüchterung geprägt. Die Natur, insbesondere die Geister der Vergangenheit, schweigen und verweigern die erhoffte Antwort. Die Vergangenheit wird als eine Zeit glorreicher Momente beschrieben, die jedoch unwiederbringlich verloren sind. Die Metapher des „öden Grabes“ und der „Zeit“, die „alles verschlungen“ hat, verdeutlicht die Vergänglichkeit und den Verlust von Traditionen und Werten. Die Hoffnung des lyrischen Ichs verblasst, da es feststellt, dass die Vergangenheit keine Antworten mehr zu geben hat.

In der Schlussstrophe erreicht die Melancholie ihren Höhepunkt. Das lyrische Ich steht allein in der Nacht, weint um die verlorene Zeit und stellt die Frage nach dem Wiedererwachen eines neuen Geschlechts. Die zentrale Frage „Ob ich wohl noch hoffe?“ drückt die innere Zerrissenheit aus. Die Antwort, die letztendlich aus dem Echo kommt, ist ein Hoffnungsschimmer: „Hoffe!“. Diese einfache, kurze Botschaft steht im Kontrast zur vorhergehenden Verzweiflung und bietet einen Funken von Optimismus, obwohl die Umstände düster bleiben. Das Echo ist ein Hinweis darauf, dass die Hoffnung letztlich im eigenen Inneren gefunden werden muss und nicht von äußeren Quellen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.