Himmelstrauer
Am Himmelsantlitz wandelt ein Gedanke,
Die düstre Wolke dort, so bang, so schwer;
Wie auf dem Lager sich der Seelenkranke,
Wirft sich der Strauch im Winde hin und her.
Vom Himmel tönt ein schwermutmattes Grollen,
Die dunkle Wimper blinzet manches Mal, –
So blinzen Augen, wenn sie weinen wollen, –
Und aus der Wimper zuckt ein schwacher Strahl. –
Nun schleichen aus dem Moore kühle Schauer
Und leise Nebel übers Heideland;
Der Himmel ließ, nachsinnend seiner Trauer,
Die Sonne lässig fallen aus der Hand.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Himmelstrauer“ von Nikolaus Lenau ist eine eindringliche Naturbetrachtung, die durch die Personifizierung des Himmels eine tiefgreifende Melancholie und Trauer auslöst. Lenau nutzt dabei die Natur als Spiegel der menschlichen Seele, um ein Bild von Schwermut und Hoffnungslosigkeit zu zeichnen. Die Sprache ist reich an Bildern und Metaphern, die die Stimmung des Gedichts prägen und den Leser unmittelbar in die beschriebene Gefühlswelt eintauchen lassen.
Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung des „Himmelsantlitzes“, das von einem „Gedanken“ befallen ist, symbolisiert durch eine „düstre Wolke“. Diese Wolke wird als „so bang, so schwer“ beschrieben, was sofort eine Atmosphäre der Beklemmung schafft. Der Vergleich des Strauchs, der sich im Wind wie ein „Seelenkranker“ hin- und herwirft, verstärkt diesen Eindruck der Verlorenheit und des Leidens. Der Wind und die Wolke scheinen die Ausdrucksformen des Himmels zu sein, der seine Trauer in der Bewegung der Natur widergespiegelt.
Im zweiten Abschnitt wird die Intensität der Trauer durch das „schwermutmatt[e] Grollen“ des Himmels und das „blinzen“ der „dunkle[n] Wimper“ gesteigert. Der Vergleich mit weinenden Augen verdeutlicht die menschliche Dimension der himmlischen Trauer. Ein „schwacher Strahl“ aus der „Wimper“ lässt auf eine spärliche Hoffnung oder einen Trost schließen, der jedoch von der allgemeinen Düsternis überschattet wird. Diese Bilder verstärken die Vorstellung von einem unerträglichen Schmerz, der aus der Seele des Himmels zu quellen scheint.
Der letzte Abschnitt vollendet das Bild der Verzweiflung. „Kühle Schauer“ und „leise Nebel“ schleichen sich aus dem Moor, während der Himmel die Sonne „lässig fallen“ lässt. Dies deutet auf eine vollständige Kapitulation vor der Trauer hin. Der Himmel, der sich seiner Trauer hingibt, scheint jegliche Lebenskraft und Hoffnung verloren zu haben. Das Gedicht endet mit einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, die durch die trüben Naturphänomene und die Personifizierung des Himmels als leidende Figur eindrücklich vermittelt wird.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.