Lob der Faulheit
Fleiß und Arbeit lob ich nicht,
Fleiß und Arbeit lob ein Bauer.
Ja, der Bauer selber spricht,
Fleiß und Arbeit wird ihm sauer.
Faul zu sein sei meine Pflicht,
Diese Pflicht ermüdet nicht.
Bruder, laß das Buch voll Staub!
Willst du länger mit ihm wachen?
Morgen bist du selber Staub!
Laß uns faul in allen Sachen,
nur nicht faul zu Lieb und Wein,
nur nicht faul zur Faulheit sein!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Lob der Faulheit“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine humorvolle und ironische Reflexion über die Begriffe „Fleiß“ und „Faulheit“. Es beginnt mit einer klaren Ablehnung von Fleiß und harter Arbeit, wobei Lessing den Beruf des Bauern als Beispiel heranzieht. Der Bauer, der in der Vorstellung der Gesellschaft für seine harte Arbeit bekannt ist, wird hier selbst als jemand dargestellt, der von „Fleiß und Arbeit“ genug hat und sie ihm „sauer“ werden. Das Gedicht stellt damit eine Kritik an der allzu intensiven Arbeitsmoral dar und wendet sich gegen den Gedanken, dass Fleiß immer eine Tugend ist.
In der zweiten Strophe formuliert der Sprecher seine eigene Lebensmaxime: Faulheit sei „seine Pflicht“, und diese Pflicht ermüde nicht. Dies unterstreicht die absurde Wende, die Lessing hier vollzieht, indem er Faulheit als eine artgerechte „Pflicht“ ansieht, die weniger belastend ist als die ständige Anstrengung des Arbeitens. Der Humor des Gedichts liegt in der bewussten Übertreibung und der Umkehrung gesellschaftlicher Normen, die Arbeit und Fleiß als Tugend hochhalten.
In der dritten Strophe wird die Ablehnung der intensiven Lektüre und des „Staubs“ in den Büchern hervorgehoben, wobei der Leser aufgefordert wird, den oft anstrengenden und unproduktiven „Streben nach Wissen“ zu hinterfragen. Der Gedanke, dass „morgen du selber Staub bist“, dient als eine Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens und die Sinnlosigkeit, sich zu sehr mit den anstrengenden und vergeblichen Bemühungen des Wissens zu beschäftigen.
Die Schlusszeile des Gedichts, in der es heißt „nur nicht faul zu Lieb und Wein, nur nicht faul zur Faulheit sein!“, bringt die Kernbotschaft des Gedichts auf den Punkt: Faulheit wird nicht grundsätzlich als negativ dargestellt, sondern nur in Bezug auf bestimmte, „lebenswichtige“ Freuden wie Liebe und Genuss als schädlich. Faulheit als Lebenseinstellung soll in den Dingen genossen werden, die einem wahrhaftig Freude bereiten, aber niemals zur passiven Trägheit in den wichtigen Aspekten des Lebens führen.
Lessing schafft mit „Lob der Faulheit“ eine Satire auf die gesellschaftliche Wertschätzung von harter Arbeit und Fleiß. Durch die Übertreibung und die humorvolle Darstellung des Faulheitsprinzips regt er zur Reflexion über die wahren Werte des Lebens an und ermutigt dazu, die Dinge zu hinterfragen, die von der Gesellschaft als erstrebenswert gelten.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.