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Goethe’s Heimgang

Von

Süß mag das Aug’ des Sterbenden sich schließen,
Der Freundesthränen auf der Stirne fühlt,
Die drauf wie eine Todestaufe fließen,
Daß sich der bange Schweiß des Sterbens kühlt.

Doch Götterloos ist’s, unbeweint zu scheiden,
Wenn man der Thränen und der Trauer werth!
Wozu soll eine Seele um sie leiden,
Wenn die Vollendung zu den Sternen fährt?

Ja, Götterloos ist’s, unbeweint zu scheiden,
Zu scheiden wie der Tag im Abendroth.
Er gab uns Wärme, Licht genug und Freuden,
Und zieht dahin, weil seine Zeit gebot!

Zu fallen wie ein Feld voll goldner Aehren,
Die schlank gewallt im grünen Jugendkleid,
Doch nun ihr lastend Haupt zur Erde kehren.
Wer weint darob, daß es nun Erntezeit?

In Nacht zu sinken wie des Meeres Wogen,
Drauf Sonnenglanz, Goldwimpel, reiche Fracht,
Gesang und Schwäne tagesüber zogen –
Die Zeit ist um, ihr Recht will auch die Nacht!

Und zu zerstäuben wie die flücht’ge Wolke!
Sie hat Gedeihn geregnet auf die Flur,
Den Friedensbogen hell gezeigt dem Volke,
Und löst sich nun in leuchtenden Azur.

So schied auch Er, der nun dahingegangen,
Der hohe Mann, der kräft’ge Dichtergreis,
Auf dessen Lipp’, auf dessen bleichen Wangen
Der Kuß des Glücks noch jetzt verglühet leis.

Ein kalter starrer Arm, reglos gebeuget,
In dem die goldne Leier lichtvoll blitzt;
Ein greises Silberhaupt, im Tod geneiget,
Drauf immergrün der frische Lorbeer sitzt!

Sah dieß mein Aug’, nie konnt’ es Thränen thauen!
Nein, stillbefriedigt, ruhig, glanzerhellt
Mußt’ unabwendbar drauf es niederschauen, –
Fürwahr, durch eine Thräne wär’s entstellt!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Goethe’s Heimgang von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Goethe’s Heimgang“ von Anastasius Grün zelebriert den Tod Johann Wolfgang von Goethes als einen Übergang von großer Bedeutung, frei von Trauer und Schmerz. Es ist eine Huldigung an das erfüllte Leben des Dichters, das mit der Natur und ihren natürlichen Zyklen verglichen wird: dem Sonnenuntergang, der Erntezeit, den Meereswellen und den Wolken. Der Dichter verwendet eine Reihe von Metaphern, um den Tod als etwas Natürliches und Vollkommenes darzustellen, das nicht mit Tränen, sondern mit Respekt und Bewunderung begegnet werden sollte.

In den ersten Strophen wird die Idee betont, dass der Tod eines „Götterloos“ ist, eines Glücksfalls, wenn er nicht mit Tränen und Trauer verbunden ist. Der Dichter findet Trost in der Vorstellung, dass die Seele des Verstorbenen zu den Sternen aufsteigt und das Leben des Dichters mit der Wärme, dem Licht und den Freuden des Tages verglichen wird. Die folgenden Verse greifen Bilder aus der Natur auf, um den Übergang zu versinnbildlichen: das Fallen der Ähren bei der Ernte, das Absinken der Wellen in die Nacht und das Zerstäuben der Wolken. Diese Vergleiche unterstreichen die Idee des natürlichen Kreislaufs von Werden und Vergehen.

Die zweite Hälfte des Gedichts wendet sich direkt dem Abschied von Goethe zu. Der Dichter beschreibt den Dichtergreis mit den Worten „Der hohe Mann, der kräft’ge Dichtergreis“ und fängt die körperliche Ruhe und Erhabenheit ein, die durch den Tod erreicht wurden. Die goldene Leier und der Lorbeer, Symbole für Goethes Ruhm und Talent, werden hervorgehoben, was die Bedeutung des Dichters für die Welt unterstreicht. Bemerkenswert ist, dass das lyrische Ich keine Tränen vergießt, sondern mit einer „stillbefriedigten“ und „glanzerhellten“ Haltung auf das Ereignis blickt.

Die Schlusspassage ist ein wichtiger Moment der Kontemplation. Das lyrische Ich bekennt sich zur Unfähigkeit, Tränen zu vergießen, da dies das Bild der Vollkommenheit, die der Tod des Dichters darstellt, entstellen würde. Stattdessen drückt das Gedicht eine tiefe Ehrfurcht und Dankbarkeit für Goethes Leben und Werk aus, indem es den Tod als einen würdevollen und friedlichen Übergang in eine neue Existenzform betrachtet. Es ist eine Hommage, die frei von Trauer ist, und stattdessen Respekt und Bewunderung für das Leben und das Erbe eines großen Dichters feiert.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.