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Gesegnete Mahlzeit

Von

Sie haben wundervoll diniert;
Warm und behaglich rollt ihr Blut,
Voll Menschenliebe ist ihr Herz,
Sie sind der ganzen Welt so gut.

Sie schütteln zärtlich sich die Hand,
Umwandelnd den geleerten Tisch,
Und wünschen, daß gesegnet sei
Der Wein, der Braten und der Fisch.

Die Geistlichkeit, die Weltlichkeit,
Wie sie so ganz verstehen sich!
Ich glaube, Gott verzeihe mir,
Sie lieben sich herzinniglich.

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Gedicht: Gesegnete Mahlzeit von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Gesegnete Mahlzeit“ von Theodor Storm entwirft ein ironisches Bild einer gesellschaftlichen Zusammenkunft, in der Heuchelei und Selbstgefälligkeit im Vordergrund stehen. Die scheinbare Harmonie und Nächstenliebe, die in den ersten beiden Strophen beschrieben werden, stehen im krassen Gegensatz zu dem, was der Leser implizit erahnt und was in der letzten Strophe explizit ausgesprochen wird: die unehrliche Vertrautheit zwischen den Anwesenden.

Die ersten beiden Strophen beschreiben eine Szene der Zufriedenheit und des Wohlbehagens nach einem opulenten Mahl. Die Beschreibung „Warm und behaglich rollt ihr Blut“ deutet auf eine körperliche Befriedigung hin, die von der materiellen Fülle des Essens herrührt. Die Formulierung „Voll Menschenliebe ist ihr Herz“ wirkt angesichts des weiteren Verlaufs des Gedichts ironisch und unterstreicht die Fassade, die aufrechterhalten wird. Die Geste des Händeschüttelns und das Segnen von Speisen und Getränken verstärken den Eindruck einer heilen Welt, in der alles im Lot zu sein scheint.

Die dritte Strophe bildet den Kern der Kritik. Die Kategorien „Geistlichkeit“ und „Weltlichkeit“ werden hier in einen ironischen Kontext gesetzt. Die Aussage, dass diese beiden Gruppen „sich so ganz verstehen“, lässt vermuten, dass sie gemeinsame Interessen verfolgen und sich gegenseitig unterstützen. Der Leser wird dazu angeregt, die wahren Motive hinter der Fassade zu hinterfragen. Der Sprecher bricht in der letzten Zeile das Schweigen und spricht mit einer Andeutung von Selbstvorwurf über die tiefe Verbundenheit, die er als unehrlich empfindet.

Das Gedicht arbeitet mit subtilen Andeutungen und Ironie, um die Heuchelei der dargestellten Gesellschaft zu entlarven. Der scheinbar idyllische Rahmen, in dem die Menschenliebe und die Freude am Genuss gefeiert werden, wird durch die kritische Beobachtung des Sprechers untergraben. Storm benutzt hier gekonnt Kontraste, um die Diskrepanz zwischen Schein und Sein aufzuzeigen. Das Gedicht ist eine Gesellschaftskritik, die die moralische Verdorbenheit und die unehrliche Verbundenheit der Eliten anprangert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.