Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , ,

Fröhlich, zärtlich, lieblich

Von

I

Fröhlich, zärtlich, lieblich und klärlich, anmutig, still und leise,
in sanfter, süßer, keuscher, träger Weise
erwache, du liebenswertes, schönes Weib,
reck, streck, zeig deinen zarten, prächtigen Leib!
Schließ auf deine hellen Äuglein so klar!
Heimlich nimm′s wahr,
wie sich verliert der Sternengarten
in der schönen, heitren, klaren Sonne Glanz.
Wohl auf zum Tanz!
Flicht uns einen schönen Kranz
der leucht von braunen, blauen, grauen,
gelb-rot-weißen,
violetten Blümlein ganz.

II

Sanft sich öffnen, schmeicheln, lispeln, wispern, flüstern in süßen Sprachen
von ergötzlichen, guten, reinen Sachen
soll dein voller roter Mund
der so lieblich mein Herz hat entzündet
und mich fürwahr schon tausendmal geweckt,
freundlich aufgeschreckt
aus des Schlafes Traum, wenn ich geschaut
einen so wohlgeformten, roten, engen Spalt,
in des Lächelns Gestalt,
Zähnchen weiß darin gereiht,
Lippen nippen koslich roslich,
sind so hell,
herrlich hingemalt.

III

Wollt sie, sollt sie, würd sie und käm sie, nähm sie meinem Herzen
die sehnsuchtsvollen, großen, harten Schmerzen,
und ein Brüstlein weiß darauf gedrückt,
seht, so leichthin wär mein Trauern ferngerückt.
Wie könnt ein zartes, liebes Mädchen
fröhlicher wohl schmücken
das Herze mein ohn arge Pein
mit so wonnevoller, zarter, reiner Lust?
Mund Mündlein geküsst,
Zung an Zünglein, Brüstlein an Brust,
Bauch an Bäuchlein, Busch an Büschlein,
schnell mit Eifer
nur munter gedrückt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Fröhlich, zärtlich, lieblich von Oswald von Wolkenstein

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Fröhlich, zärtlich, lieblich“ von Oswald von Wolkenstein ist eine leidenschaftliche Liebeserklärung, die in drei Strophen die Bewunderung des Sprechers für eine geliebte Frau zum Ausdruck bringt. Es ist ein Beispiel für mittelalterliche Minnelyrik, die durch ihre detailreichen Naturbilder, die Betonung körperlicher Schönheit und die Sehnsucht nach Vereinigung gekennzeichnet ist. Der Text offenbart eine tiefe Faszination für die Frau, die in all ihren Facetten, von ihrem Erwachen bis zur erotischen Fantasie, idealisiert wird.

In der ersten Strophe wird die Frau aufgefordert, aus dem Schlaf zu erwachen und sich in ihrer ganzen Schönheit zu zeigen. Die Verwendung von Adjektiven wie „fröhlich, zärtlich, lieblich“ und „sanft, süß, keusch“ deutet auf eine sanfte und liebevolle Verehrung hin. Der Sprecher beobachtet, wie die Welt erwacht, und vergleicht die Frau mit der Schönheit des Morgens, indem er sie auffordert, ihre Augen zu öffnen und die Sonne zu begrüßen. Das Aufrufen des Tanzes und die Aufforderung, einen Blumenkranz zu flechten, unterstreichen die Freude und das Festliche der Liebe. Die Natur, insbesondere die Farben der Blumen, werden als Spiegelbild der Schönheit der Frau und der erhofften Freude durch ihre Nähe eingesetzt.

Die zweite Strophe beschreibt die sinnliche Anziehungskraft der Frau. Der Sprecher träumt von ihrem roten Mund, der sein Herz entzündet hat, und schwärmt von ihrem Lächeln und ihren Zähnen. Die erotischen Anspielungen werden verstärkt durch die Beschreibung des „roten, engen Spalts“, die als Metapher für die erotische Erregung des Sprechers gesehen werden kann. Der Text wird hier expliziter und enthüllt die physische Begierde, die den Sprecher antreibt. Die Art und Weise, wie er die sinnlichen Details ihrer Erscheinung beschreibt, ist sehr konkret und deutet auf ein tiefes Verlangen hin, die Frau zu begehren.

Die dritte Strophe ist ein Ausdruck der Sehnsucht nach der körperlichen Vereinigung. Der Sprecher wünscht sich, dass die Frau seine „großen, harten Schmerzen“ lindern würde. Er träumt von einer körperlichen Vereinigung, die durch Küsse und Berührungen gekennzeichnet ist. Die Wiederholung von „Brüstlein an Brust“ und „Bauch an Bäuchlein“ unterstreicht das Verlangen nach Intimität. Die Sprache wird zunehmend direkter und erotischer, wobei die Vorstellung von der Vereinigung des Sprechers mit seinem Liebesobjekt im Mittelpunkt steht. Das Gedicht gipfelt in einer Vision der Glückseligkeit, die durch die Erfüllung der sinnlichen Wünsche des Sprechers erreicht wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.