Calderon
Ein Zaubergarten liegt im Meeresgrunde;
Kein Garten, nein, aus künstlichen Krystallen
Ein Wunderschloß, wo blitzend von Metallen,
Die Bäumchen sprossen aus dem lichten Grunde;
Kein Meer, wo oben, seitwärts, in die Runde,
Farbige Flammenwogen uns umwallen,
Doch kühlend, duftend alle Sinne allen
Entrauben, süß umspielend jede Wunde.
Nicht Zaub’rer bloß von diesen Seligkeiten,
Bezaubert selbst wohnet, zum schönsten Lohne,
Im eignen Garten selig selbst der Meister;
Drum sollen alle Feen auch bereiten
Des Dichterhimmels diamantne Krone,
Dir, Calderon! du Sonnenstrahl der Geister.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Calderon“ von Friedrich Schlegel beschreibt in bildhaften und geheimnisvollen Worten eine utopische, magische Welt, die gleichzeitig an die Schönheit und das Göttliche erinnert. Der „Zaubergarten“ im „Meeresgrunde“ symbolisiert eine fantastische, tiefgründige Welt, die nicht nur räumlich, sondern auch metaphorisch eine Sphäre des Wunders und der Inspiration darstellt. Der Garten ist jedoch kein gewöhnlicher, sondern ein von „künstlichen Kristallen“ gebildeter Ort, was auf den Einfluss der Kunst und des Intellekts hinweist, die das Wunder erschaffen. Das „Wunderschloß“ und die „Bäumchen“, die aus dem „lichten Grunde“ sprießen, zeugen von einer harmonischen Verbindung zwischen der Natur und der Kunst.
Die zweite Strophe vertieft das Bild einer perfekten Welt, in der nicht das Meer, sondern „farbige Flammenwogen“ die Landschaft umspülen. Diese Wellen symbolisieren vielleicht die emotionalen und kreativen Ausbrüche, die der Dichter in seiner Kunst erfährt. Dennoch sind diese Wellen nicht zerstörerisch, sondern „kühlend“ und „duftend“, was darauf hindeutet, dass die kreative Welt, in der der Dichter lebt, zugleich heilend und belebend ist. Es ist eine Welt, die nicht nur den Körper, sondern auch die Seele umhüllt und versorgt, indem sie „jede Wunde“ süß umspielt.
In der dritten Strophe wird Calderon, dem spanischen Dramatiker, als der Schöpfer dieser seligen Welt geehrt. Schlegel stellt Calderon als den „Zauberer“ dar, der nicht nur in seiner Kunst verzaubert, sondern auch selbst Teil dieser magischen Welt ist. Der Dichter selbst ist im „eigenen Garten“ gesegnet und lebt im Einklang mit den kreativen Kräften, die er in seiner Kunst freisetzt. Diese Idee der Selbstverwirklichung und des harmonischen Zusammenlebens von Künstler und Kunst wird mit dem Bild des „Meisters“ und seiner „Seligkeit“ verbunden.
Die letzte Strophe wendet sich direkt an Calderon und fordert die „Feen“ auf, ihm die „diamantne Krone“ des Dichterhimmels zu verleihen. Dies unterstreicht Calderons herausragende Bedeutung als Dichter und das Anerkennen seiner spirituellen und künstlerischen Größe. Schlegel vergleicht Calderon mit einem „Sonnenstrahl der Geister“, was ihn als leuchtendes Beispiel für die hohe Kunst und die Erleuchtung der Menschheit darstellt. Das Gedicht ehrt Calderon nicht nur als Künstler, sondern auch als eine herausragende Figur, die eine Verbindung zu einer höheren, beinahe göttlichen Sphäre der Kreativität und des Wissens darstellt.
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Lizenz und Verwendung
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