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Lied und Leid

Von

Ihr, denen, was mein Haus von stillem Glücke
Umfaßte, stand in meinen Liedern offen!
Theilnehmend an so unscheinbaren Stoffen,
Die nicht vertragen, daß viel Kunst sie schmücke;

Nehmt eure Theilnahm‘ itzt auch nicht zurücke
Und laßt für Beifallslächeln Thränen hoffen,
Beim Schicksalsschlag, der so das Haus getroffen,
Daß alles Glas der Freude ging in Stücke!

Vielleicht verschlöß‘ ich besser solche Klänge;
Und wahrlich nicht mit Lorbeer zu umweben
Denk‘ ich die Stirn durch klagende Gesänge.

Doch wenn ich sähe meine Lieben leben
In fremden Munde, dieses Schaugepränge
Könnt‘ ein’gen Trost für ihren Tod mir geben.

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Gedicht: Lied und Leid von Friedrich Rückert

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lied und Leid“ von Friedrich Rückert verbindet auf eindringliche Weise persönliche Trauer mit der dichterischen Aufgabe. Rückert spricht seine Leser direkt an, die einst seine Lieder über das stille Glück seines Hauses teilnahmsvoll aufgenommen haben, und bittet sie nun, ihm auch im Leid ihre Anteilnahme zu schenken. Er verweist darauf, dass seine früheren Themen schlicht und unscheinbar waren und keine kunstvolle Ausschmückung vertrugen.

Mit einem schweren Schicksalsschlag – dem Verlust geliebter Menschen – ist nun die Quelle seiner Freude zerbrochen. Das Bild vom in Stücke gehenden „Glas der Freude“ verleiht dieser Erschütterung eine besonders anschauliche und schmerzhafte Dimension. Der Dichter wünscht sich nicht bloß Beifall, sondern tiefere Anteilnahme – Tränen statt Lächeln.

Rückert reflektiert auch über die Angemessenheit seines Handelns: Vielleicht wäre es besser, die Klage für sich zu behalten, anstatt durch Trauergesänge um Ruhm zu ringen. Der Verzicht auf äußere Ehre wird klar betont, was die Echtheit seiner Trauer und seine innere Zerrissenheit unterstreicht.

Im letzten Gedanken offenbart sich eine tiefe menschliche Regung: Der Gedanke, dass das Andenken an seine Verstorbenen durch seine Verse weiterlebt und auf fremden Lippen fortbesteht, könnte ihm Trost spenden. Rückert schafft so ein berührendes Zeugnis davon, wie Dichtung helfen kann, Schmerz zu bewältigen und Erinnerung zu bewahren.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.