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Fort Belvedere

Von

An der Veste Wall und Warten,
Die dich zügeln soll, Florenz,
Lehnt sich deines Fürsten Garten,
Blüthenvoll im sonn’gen Lenz.

Doch des Schlummers süße Schlinge
Hält die Wacht am Wall umfahn,
Rost zerfraß des Kriegers Klinge,
Seiner Flinte fehlt der Hahn.

Tief wohl schläft er; ihn umdüstert
Keine Ahnung der Gefahr.
Hört er’s nicht, wie’s unten flüstert
Droh’nd aus der Belag’rer Schaar?

Sieht er nicht im Thale blinken
Federbüsche aller Art,
Hundertfarb’ge Fähnlein winken,
Denen, Lenz, dein Heer sich schaart?

Und doch blasen aus den Beeten
Wie ein Janitscharenchor
Tausend blühende Trompeten
Schon zum Sturm, zum Sturm empor!

Und doch schwebt schon ob der Veste
Eine Lerch’ als Luftballon,
Die vom Feindesheer die beste
Kundschaft bringt als dein Spion!

Schwert- und Feuerlilie schwingen
Waffen hoch im Zornesmuth,
Jene scharfe breite Klingen,
Diese rothe Luntengluth.

Mit den breiten grünen Tatzen
Haut der Feigenbaum die Wand;
Tausend Blumenknospen platzen,
Wie im Peloton entbrannt!

Bravo! Wie ein Hagelschauer
Schwarzer Flintenkugeln hängt
Rings entlang der Veste Mauer
Traub’ an Traube dicht gedrängt!

Goldorangenbomben stecken
Allerwärts im Mauernritz;
Lenz, du führst gar tapfre Recken,
Lenz, du führst gar gut Geschütz!

Legst Spaliere und Stacketen
Als Sturmleitern an den Wall,
In die luft’gen Sprossen treten
Deine blüh’nden Stürmer all!

Ha, Verrath selbst in der Veste!
Helfend reicht am Wallesrand
Eine Rose, froh der Gäste,
Rasch den Klimmern ihre Hand!

Blüthenrank’ und Epheu standen
Schon am Walle bei der Wacht’,
Die sie knebelten und banden,
Als sie noch zu träumen dacht’.

Solchem Sieg zum Ehrenbogen
Wölbt aus Silbersäulen hell,
Von Demantenstaub umflogen,
Sich des Gartens Springequell.

Deiner Truppen Banner ragen,
Lenz, nun auf den Wellen dort;
Ha, wer wagt’s, die zu verjagen?
O wie stark ist solch ein Fort!

Still doch, still! da, dessen Leier
Nie von Schmeichelliedern klang,
Eben eines Fürsten Feier
Unbewußt begeistert sang!

Jenes Fürsten Preis und Ehre,
Deß Palast dort, duftumweht,
Mitten in der Stürmer Heere,
Wie die Burg des Lenzes, steht!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Fort Belvedere von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Fort Belvedere“ von Anastasius Grün beschreibt auf allegorische Weise den Einfall des Frühlings (Lenz) in eine Festung, wobei der Frühling als Angreifer und die Festung als Symbol für den Winter oder die Trägheit fungiert. Der Titel des Gedichts, „Fort Belvedere“, deutet auf eine „schöne Festung“ hin, was einen Kontrast zu der scheinbaren Unfähigkeit der Festung zur Verteidigung darstellt, da der Frühling mit seinen lebendigen Kräften die Mauern überwindet. Der Autor nutzt eine reiche Bildsprache, um die Naturgewalten zu personifizieren und einen Kampf zwischen der Starre und dem Erwachen darzustellen.

Der Frühling wird durch eine Vielzahl von Bildern dargestellt: blühende Trompeten, die zum Sturm blasen, eine Lerche als Spion, schwingende Schwert- und Feuerlilien, und Blumenknospen, die wie eine Salve entbrennen. Diese lebendigen Bilder erwecken den Eindruck einer Armee, die die Festung angreift. Die Festung hingegen wird als schlafend dargestellt, ihre Wachen sind inaktiv, ihre Waffen verrostet. Dieser Kontrast unterstreicht die Unvermeidlichkeit des Frühlings, der die Festung überwindet und neues Leben in sie bringt. Die Personifizierung des Frühlings ermöglicht es dem Autor, die Macht der Natur und des Wandels zu veranschaulichen.

Die Metaphern des Gedichts erstrecken sich über die gesamte Darstellung. Die Blumen, wie Feigenbäume und Rosen, werden zu Verbündeten des Frühlings, die die Festung von innen heraus unterstützen, indem sie „den Klimmern ihre Hand reichen“. Die „Goldorangenbomben“ und „blüh’nden Stürmer“ veranschaulichen die lebendige, erfrischende und gleichzeitig stürmische Natur des Frühlings, der durch seine Lebendigkeit die Festung erobert. Die Verwendung von militärischen Begriffen wie „Sturm“, „Feindesheer“ und „Schwert- und Feuerlilie“ verstärkt die Dramatik und den Kampfcharakter der Szene, während die Naturbilder die Schönheit und den unaufhaltsamen Charakter des Frühlings hervorheben.

Die Moral des Gedichts könnte darin liegen, dass selbst die festesten Strukturen, wie die Festung, der Veränderung und dem Wandel nicht widerstehen können. Der Frühling, als Symbol für das Leben und die Erneuerung, überwindet die Trägheit und die Starre, die durch den Winter oder die schlafende Festung verkörpert werden. Die Festung symbolisiert auch die Unfähigkeit, sich der Veränderung zu widersetzen, und die Geschichte dient als eine Parabel über die Unvermeidlichkeit von Veränderungen und die Notwendigkeit, sich an neue Umstände anzupassen.

Das Gedicht endet mit einem scheinbar paradoxen Schluss. Der Sänger preist unwissend die Ehre des Fürsten, dessen Palast inmitten der Frühlingsarmee wie eine Burg des Lenzes steht. Dieser Schluss unterstreicht die Allgegenwart des Frühlings und seine Fähigkeit, alles zu erneuern und zu verwandeln, selbst die Machtstrukturen. Die letzte Strophe deutet an, dass der Frühling nicht nur eine Zerstörung, sondern auch eine Erneuerung bringt, und dass selbst der Fürst Teil dieses Kreislaufs des Lebens und Wandels ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.