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Fieber

Von

„Nur Wasser! o, das kühlt! – die Fratze
Fällt nachgerade mir zur Last!
Das Maul des Kerls und seine Glatze
Sind mir bis in den Tod verhaßt!
Jetzt an den Puls, jetzt eine Prise –
Fort mit der Hand, armsel´ger Tropf!
Ja murre, Fas´ler! Krise, Krise! –
Du Narr, das Glas dir an den Kopf!

Endlich, der Zaubrer ist bezwungen!
Mein dreister Wurf hat ihn gebannt.
Dem Wächtervolk bin ich entsprungen! –
O, welch ein Schweben! welch ein Land!
Der Wald von Duft durchzogen! golden –
Die Sonne badet sich – der Strom!
Das Feld voll tausendfarb´ger Dolden!
Der Himmel ein sapphirner Dom!

Wie kühl ist´s unter diesen Bäumen!
Ach, ich bin matt! wie naß mein Haar! –
Zu trinken! – Ha, Pokale schäumen,
Und Mädchen reichen sie mir dar!
Ach! laßt mich schlummern! – sie bekränzen
Die Stirne mir; der Schönsten Arm
Umfängt mich; ist das Schwerterglänzen?-
Zurück, ohnmächt´ger Söldnerschwarm!

Wer will in meiner Lust mich stören?
Ich grins´ ihn an, ich sprech´ ihm Hohn.
Und diese Klinge soll ihn lehren,
Wen er geweckt mit seinem Drohn.
Erschallt, Trompeten! fliegt Standarten!
Helmschweife, flattert! Mörser, kracht!
Auf ihren Schädeln wetzt die Scharten
Der Schwerter aus! vorwärts! zur Schlacht!

O seht, wie rieselt aus den Wunden
Das Blut! wie spritzt es himmelan!
Die Streiter alle sind verschwunden,
Ein Blutmeer überschwemmt den Plan.
Wild braus´t es! helft, daß ich entrinne!
Vor meinem Aug´ schwimmt´s purpurroth.
Die Flut ergreift mich; mitten inne
Auf einer Insel steht der Tod.

Zu seinen Füßen speit die Welle
Mich aus; – laß ab, laß ab! – das Thor
Des Himmels dort, hier das der Hölle!
Aus jedem zuckt ein Arm hervor.
Er wirft mich mit verruchtem Lachen
Den Armen zu – sie packen mich!
Des Himmels Engel und die Drachen
Der Hölle streiten sich um mich.

O Gott, o Gott! wie sie mich recken!
Ihr glaubt wohl, daß ihr Eisen dehnt! –
Hierhin und dorthin! – Flammen lecken,
Und unter mir gespenstisch gähnt
Das ew´ge Nichts! – wohin entrinn´ ich?
Sie lassen los, sie stürzen jach
Mich in den Abgrund – ha, wo bin ich?
Bei euch? seid ihr es? o, bleibt wach.

O, geht nicht fort! – da kommt er wieder!
Seht ihr ihn nicht? es ist der Tod!
Er beugt sich grinsend zu mir nieder,
O, steht mir bei in dieser Roth! –
Zurück! was legst du mir die Kohle
Aufs Haupt? – ein Loch zu brennen? sprich!
Daß meine Seel´ der Teufel hole,
Wenn sie hinausfährt? – wahre dich!“

Wahnsinnig sprang er auf vom Lager,
Pochend die Brust, die Faust geballt,
Die Augen rollend, schlaff und hager
Die halbbekleidete Gestalt.
Wirr um die bleichen Schläfen hingen
Die Haare; brennend, bräunlich roth
Das Antlitz. „Tod, nun laß uns ringen!“ –
Er sank zusammen – er war todt!

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Gedicht: Fieber von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Fieber“ von Ferdinand Freiligrath ist eine eindringliche Darstellung des Fieberwahnsinns und der damit einhergehenden psychischen und physischen Zerrüttung. Es nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Halluzinationen und Ängste eines Fieberkranken, der zwischen Realität und Fantasie hin- und hergerissen wird.

Der erste Teil des Gedichts beginnt mit dem verzweifelten Kampf des Patienten gegen das Fieber und die ihm aufgedrängte medizinische Behandlung. Er verachtet den Arzt und sehnt sich nach Kühlung. Diese Abneigung und der Wunsch nach Freiheit deuten auf ein Gefühl der Gefangenschaft und Hilflosigkeit hin, das im Verlauf der Halluzinationen noch verstärkt wird. Der Übergang zur zweiten Strophe markiert den Beginn der Träume, in denen die Grenzen der Realität verschwimmen und der Kranke in eine traumhafte Welt eintaucht, die von Schönheit und Verheißung geprägt ist. Er sieht sich in einer paradiesischen Landschaft, die von Duft und Farben erfüllt ist.

Die folgende Phase des Gedichts ist durch eine Zunahme von Gewalt und Kriegsfantasien gekennzeichnet. Der Kranke verwandelt sich in einen Feldherrn, der seine Gegner bekämpfen will. Die Traumwelt kippt in ein Schlachtfeld, auf dem Blut fließt und der Tod omnipräsent wird. Der Patient verliert die Kontrolle über seine Wahrnehmung, wird von Albträumen heimgesucht und von Todesangst getrieben. Er ist Gefangener seines eigenen, kranken Geistes und versucht, sich aus dem Strudel der Halluzinationen zu befreien.

Die letzten Strophen sind von einem Gefühl der Verzweiflung und dem direkten Kampf mit dem Tod geprägt. Der Kranke sieht sich zwischen Himmel und Hölle gefangen, gequält von Dämonen und Engeln. Er fleht um Hilfe, doch seine Schreie verhallen ungehört. Schließlich endet das Gedicht mit dem Tod des Patienten, der aus dem Fiebertraum erwacht, aber in die Realität des Todes eintritt. Die eindringliche Schilderung der Symptome, die Verwendung von Bildern der Gewalt, des Schreckens und der Verwirrung machen das Gedicht zu einem beklemmenden Zeugnis des Leidens und der Zerrüttung, die durch Fieber und Krankheit entstehen können.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.