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Festgruß zum Schützentag in Wien

Von

1868.

»Sie fügten ihre Hände in Eins und gingen dann
In einen weiten Palast, der war gar wohlgethan
Vor dem die Donau unten die Fluth vorüber goß,
Da saßen sie im Freien und hatten Kurzweil groß.«
Nibelungenlied.

Sie hat den Festschmuck angethan, die Kränze grüner Reiser,
Verjüngt vom Lenzhauch neuer Zeit, die alte Stadt der Kaiser;
Von ihrer Mauerkrone wehn die Blumen und die Bänder,
Den Leib umfließt in Faltenpracht das reichste der Gewänder.

Sie schwingt das alte Banner hoch in makelloser Reinheit,
Das alte Schwarz-roth-gold ist′s noch, der Hort der Volkeseinheit,
Das rauscht ein froh Willkommen zu den Gästen, die da kommen,
Vieltausendstimmig ruft es nach in Sang und Klang: Willkommen!

Willkommen, Schützenbrüder all aus Süden und aus Norden,
Die Ihr am Rhein, am Neckar wohnt, die an des Ostmeers Borden,
Die Ihr das Tiefland habt durchwallt, die Alpen überklommen,
Ihr Söhne deutscher Gauen all, willkommen, gottwillkommen!

Ob unter Euch viel Meilen weit der Schienenstrang geklungen,
Und über mancher Grenze Pfahl sich Euer Zug geschwungen,
Ihr seid doch in der Heimat noch, im Vaterhaus geblieben,
Wo Einer Mutter Kinder Eins im Hoffen, Dulden, Lieben.

Denn Heimatgrund ist′s, drauf Ihr wallt, die Heimateichen hallen
Im Schützenhain vom Nachklang bald, wenn Eure Büchsen knallen;
Deutsch ist der Strom, er brauste schon im Lied der Nibelungen
Und hat des Rothbarts Kreuzheer schon in frommen Traum gesungen.

Zieht durch den Markt, Ihr fühlt Euch noch in Eures Volkes Mitte,
Betretet nur ein Haus, Euch grüßt der eignen Heimat Sitte;
Das Wort, dem unsre Jugend lauscht, ist Eurer Weisen Lehre,
Das Lied, das unser Herz berauscht, ist deutschen Stammes Ehre.

Es grüßt manch Standbild deutschen Sinns Euch rings in Stein und Erzen,
Hier winkt Eugen, das wälsche Blut und deutscheste der Herzen,
Die beiden Karle, dort und hier, die deutsche Schlachten schlugen,
Und Fürsten dieses Lands, die einst die Krone Deutschlands trugen.

Hier Joseph, den kein Herz vergißt, ein Märtyrer und Weiser,
Dort, den ein dunkler Flor umschließt, der Deutschen letzter Kaiser,
Und schon zum Ehrenmale wird das Fundament geschichtet
Dem Sänger, der das Hohelied vom Schützen Tell gedichtet.

Aus theuren Gräbern rauscht empor ein Gruß von deutschen Klängen,
Beethovens, Mozarts, Schuberts Geist ersteht in Zaubersängen,
Zieht durch den Festsaal, durch den Wald, vom Wohllautflug getragen,
Wie durch den Dom, den deutsche Kunst zur Sternenhöh′ ließ ragen.

Wenn Heimatklänge traut ans Ohr in Gruß und Sang Euch gleiten,
Ihr fühlt′s, wie deutsch dieß Land und Volk, kerndeutsch seit Urweltzeiten,
Deutsch ist sein Blut, deutsch ist sein Herz, und deutsch sein Sinn und Treiben,
Deutsch sind wir noch und wollen deutsch trotz dem und dem auch bleiben!

Frisch braust der Geist, frisch stürzt das Wort, gleich unsern Alpenbächen,
Fromm sind, ja, waren wir noch mehr, Ihr hörtet davon sprechen;
Daß fröhlich wir, wer wüßt′ es nicht, manch′ Büchlein ließ sich schreiben,
Frei wurden wir und wollen frei trotz dem und dem auch bleiben!

O daß der Freiheit Geist in Eins, was Eins sein will, auch kitte!
Treu hüten wir das Vätergold, die deutsche Art und Sitte;
Das Band, das solch ein Geist uns wand, kein Eisen kann′s zerhauen,
Den Pfad, den sich die Liebe bahnt, kein Markstein ihn verbauen.

Zwar fällt ein bittrer Tropfen heut ins Glas, – doch er auch fromme!
Wer dächte nicht: was ist und war, wer sänne nicht: was komme?
Wir tragen′s, wie′s dem Manne ziemt, erwarten′s ohne Klage,
Wir lernten schönen Schützentrost dafür vom Schützentage:

Ein festes Ziel, das unverwandt vor unsern Augen rage,
Gesundes Herz, das voll und stark, nicht ungeduldig, schlage,
Ein scharfer Blick, der kühn und klar in weite Fernen rücke,
Und ruh′ge Hand, die nicht verirrt vom ernsten Tagwerk zücke!

Drauf stoßet an, drauf schlaget ein! es gilt erneutem Bunde;
Der Becherschall wird Glockenhall in solcher Weihestunde,
Wo treue deutsche Männer stehn auf treuer deutscher Erde
Des Einen Hochgedankens voll, dem die Erfüllung werde!

»Wir waren Eins, wir bleiben Eins!« Aus Euren Feuerröhren
Dieß Wort mein′ ich im Donnerspruch als Festchoral zu hören;
O laßt sein weckend Echo nach von Herz zu Herzen zittern,
Wie im Gebirg von Berg zu Berg ein läuterndes Gewittern.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Festgruß zum Schützentag in Wien von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Festgruß zum Schützentag in Wien“ von Anastasius Grün ist eine hymnische Ode an die deutsche Einheit, die im Kontext des Schützenfestes 1868 in Wien zelebriert wird.

Das Gedicht beginnt mit einem Zitat aus dem Nibelungenlied, das die tiefe Verwurzelung der deutschen Identität in der Geschichte andeutet. Es beschreibt Wien als eine Stadt, die sich für den Anlass schmückt und die Ankunft der Schützenbrüder aus allen Teilen Deutschlands feiert. Der Fokus liegt auf dem gemeinsamen Erbe, der Sprache und der Kultur, die die Deutschen verbindet. Das Schwarz-Rot-Goldene Banner wird als Symbol der Volkseinheit erhoben, und die Ankunft der Schützen wird mit enthusiastischem Gesang und Klang begrüßt.

In den folgenden Strophen werden die Schützen aus verschiedenen Regionen Deutschlands willkommen geheißen, wobei die geografischen Unterschiede durch die Betonung des gemeinsamen „Heimatgrunds“ und des „Vaterhauses“ relativiert werden. Die Verbindung zur deutschen Geschichte wird durch die Erwähnung der Nibelungen, des Rotbarts und weiterer historischer Persönlichkeiten wie Eugen, Karl und Joseph sowie durch die Bezugnahme auf deutsche Kunst und Musik verstärkt. Das Gedicht beschwört den Geist der Einheit und des Zusammenhalts, der trotz politischer Grenzen und unterschiedlicher regionaler Traditionen bestehen soll.

Der Schluss des Gedichts ist ein Appell an die deutsche Identität und den Freiheitswillen, die durch das „Vatergold“, die deutsche Art und Sitte, bewahrt werden sollen. Das Gedicht schließt mit einem Aufruf zur Einigkeit, einem Toast auf einen „erneutem Bunde“ und dem Wunsch, dass der Geist der Einheit durch das Echo der Schützenvereine widerhallen möge. Es ist eine patriotische Botschaft, die die Bedeutung des Zusammenhalts und der Bewahrung der deutschen Kultur in einer Zeit politischer und gesellschaftlicher Veränderungen hervorhebt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.