Fenster
Fenster wo ich einst mit dir
Abends in die landschaft sah
Sind nun hell mit fremdem licht.
Pfad noch läuft vom tor wo du
Standest ohne umzuschaun
Dann ins tal hinunterbogst.
Bei der kehr warf nochmals auf
Mond dein bleiches angesicht…
Doch es war zu spät zum ruf.
Dunkel- schweigen – starre luft
Sinkt wie damals um das haus.
Alle freude nahmst du mit.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Fenster“ von Stefan George ist eine elegische Betrachtung über Verlust und die Unfähigkeit, vergangene Zeiten zurückzuerlangen. Es beschreibt die Erfahrung des lyrischen Ichs, das an einen Ort zurückkehrt, der einst mit einer geliebten Person geteilt wurde, und nun von ihrer Abwesenheit überschattet wird. Die präzise und bildhafte Sprache Georges erzeugt eine Atmosphäre der Melancholie und des unwiderruflichen Abschieds.
Die Struktur des Gedichts folgt einem klaren Aufbau, der die Bewegung der Erinnerung und die fortschreitende Einsicht des lyrischen Ichs verdeutlicht. Die ersten drei Verse beschreiben die vertraute Umgebung – die Fenster, von denen aus das Paar einst die Landschaft betrachtete. Doch die „fremdes licht“ signalisiert die Veränderung und das Fehlen der geliebten Person. Der zweite Teil führt das lyrische Ich auf dem Weg, der einst von der geliebten Person beschritten wurde, in die Vergangenheit zurück. Die Erinnerung an den Abschiedsmoment, das letzte Aufblicken des Mondes auf das „bleiche Angesicht“, ist ein besonders ergreifender Moment der Reue und des Bewusstseins der Unmöglichkeit, die Vergangenheit zu ändern.
Der letzte Teil des Gedichts ist durch eine düstere Stimmung gekennzeichnet. Das „Dunkel-Schweigen-starre Luft“ vermittelt eine tiefe Einsamkeit und Leere. Die Wiederholung des „damals“ unterstreicht die tiefe Sehnsucht nach der verlorenen Zeit und die Unfähigkeit, sie wiederherzustellen. Der letzte Vers, „Alle Freude nahmst du mit.“, fasst die Tragweite des Verlustes zusammen und drückt die Verzweiflung des lyrischen Ichs aus, das nun allein zurückbleibt, beraubt aller Freude.
George verwendet eine präzise und minimalistische Sprache, die reich an symbolischer Bedeutung ist. Die „Fenster“ stehen für die gemeinsame Vergangenheit und die geteilte Erfahrung. Der „Pfad“ repräsentiert den Weg des Abschieds und die Unumkehrbarkeit des Verlustes. Das „bleiche Angesicht“ und die „Mondschein“ können als Symbole für Schönheit, Vergänglichkeit und die bleibende Erinnerung interpretiert werden. Durch diese Elemente erschafft George ein eindringliches Bild des Schmerzes, der durch den Verlust eines geliebten Menschen ausgelöst wird.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.