Februar
Schon leuchtet die Sonne wieder am Himmel
und schmilzt die Schneelast von den Dächern
und taut das Eis auf an den Fenstern
und lacht ins Zimmer: wie geht′s? wie steht′s?
Und wenn es auch noch lang nicht Frühling,
so laut es überall tropft und rinnt …
du sinnst hinaus über deine Dächer …
du sagst, es sei ein schreckliches Wetter,
man werde ganz krank! und bist im stillen
glückselig drüber wie ein Kind.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Februar“ von Cäsar Flaischlen fängt die Ambivalenz des Übergangs vom Winter zum Frühling in einer klaren und doch vielschichtigen Weise ein. Der Titel setzt den Rahmen, der die Jahreszeit festlegt und uns auf die thematische Auseinandersetzung mit dem Februar einstimmt, einem Monat, der oft von Übergängen und widersprüchlichen Gefühlen geprägt ist. Die ersten vier Verse beschreiben eine Szene der Erneuerung: Die Sonne kehrt zurück, schmilzt Schnee und Eis, und das Licht dringt ins Zimmer ein, mit einer fast schon personifizierten Freude. Dieses Bild der Auflösung und des neuen Beginns steht im Kontrast zu den nachfolgenden Zeilen.
Der zweite Teil des Gedichts offenbart die menschliche Reaktion auf diese Veränderung. Trotz des lauten Tropfens und Rinnens, das auf den kommenden Frühling hinweist, wird das Wetter als „schrecklich“ bezeichnet, und die Gefahr einer Erkrankung wird angedeutet. Hier zeigt sich die menschliche Neigung, die positiven Aspekte zu übersehen oder zu ignorieren und stattdessen die Unannehmlichkeiten und möglichen Gefahren zu betonen. Das „du“ in den Zeilen spricht den Leser direkt an und bezieht ihn in die ambivalente Stimmung ein. Es ist ein „du“, das sich im Widerspruch befindet, einerseits die Anzeichen des Frühlings wahrnimmt, andererseits aber die möglichen negativen Konsequenzen bedenkt.
Das Paradoxe des Gedichts gipfelt in dem letzten Vers, der das Gefühl der Glückseligkeit hervorhebt, das in der Stille der eigenen Gedanken empfunden wird, vergleichbar mit dem eines Kindes. Diese Zeile ist der Schlüssel zum Verständnis des Gedichts. Sie deutet darauf hin, dass das „schreckliche Wetter“ und die Bedenken über die Gesundheit nur die Oberfläche sind. Im Inneren des lyrischen Ichs, oder des angesprochenen „du“, existiert ein Gefühl von Freude und Zufriedenheit, das aus der Beobachtung des Übergangs und der eigenen Reaktionen darauf resultiert.
Flaischlens Gedicht ist somit eine feine Beobachtung der menschlichen Natur. Es zeigt die Fähigkeit des Menschen, widersprüchliche Gefühle gleichzeitig zu erleben und die Freude an der Erneuerung mit der Angst vor dem Unbekannten zu verbinden. Die vermeintliche Klage über das Wetter ist lediglich ein Vorwand, um die stillen, heimlichen Gefühle der Freude und der Vorfreude auf den Frühling zu genießen. Es ist ein Gedicht über die kleinen Freuden des Lebens, über die Akzeptanz der eigenen Ambivalenz und die stille, kindliche Freude am Wechsel der Jahreszeiten.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.