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Nach dem Kabarett

Von

Ich gehe morgens früh nach Haus.
Die Uhr schlägt fünf, es wird schon hell,
Doch brennt das Licht noch im Hotel.
Das Kabarett ist endlich aus.
In einer Ecke Kinder kauern,
Zum Markte fahren schon die Bauern,
Zur Kirche geht man still und alt.
Vom Turme läuten ernst die Glocken,
Und eine Dirne mit wilden Locken
Irrt noch umher, übernächtigt und kalt.

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Gedicht: Nach dem Kabarett von Emmy Hennings

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Nach dem Kabarett“ von Emmy Hennings zeichnet in wenigen Zeilen ein Bild der frühen Morgenstunden, das zwischen Erschöpfung, Einsamkeit und gesellschaftlichem Kontrast oszilliert. Die Sprecherin kehrt nach einer durchzechten Nacht im Kabarett nach Hause zurück, während um sie herum bereits der Alltag beginnt. Das Gegenüberstellen von Nachtleben und beginnendem Tagesgeschehen schafft eine melancholische und ernüchternde Atmosphäre.

Zentrale Themen sind Entfremdung und soziale Gegensätze. Während die Stadt langsam erwacht – Bauern fahren zum Markt, alte Menschen gehen zur Kirche – kehrt das lyrische Ich aus einer völlig anderen Welt zurück. Diese Trennung zwischen den Kreisen des Vergnügens und der alltäglichen, „stillen“ Welt der anderen Menschen wird besonders durch die Beschreibung der Szene intensiviert: die Kinder, die am Rand sitzen, die Glocken, die ernsthaft läuten, und schließlich die Dirne, die noch umherirrt. Diese Figur könnte als Spiegel der Sprecherin gelesen werden und verstärkt die Einsamkeit und Müdigkeit der Nachtschwärmerin.

Hennings nutzt einfache, aber präzise Bilder, um eine Stimmung der Leere und Kälte nach einer durchlebten Nacht zu erzeugen. Besonders eindrucksvoll ist das Bild der übernächtigten Dirne mit den „wilden Locken“, das sinnbildlich für das Ausgebranntsein und die Rastlosigkeit steht, die mit dem Leben am Rand der Gesellschaft verbunden ist.

Insgesamt thematisiert das Gedicht die Schattenseiten des Vergnügungslebens und der Großstadt, wie sie Hennings selbst als Teil der Bohème und Kabarettszene kannte. Es zeigt die innere Zerrissenheit und das Gefühl, fremd zu sein im Alltag der „normalen“ Welt – eine stille, aber eindringliche Großstadtballade zwischen Nacht und Tag.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.