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Lenzleid

Von

Dass du Lenz gefühlt hast
unter meiner Winterhülle,
dass du den Lenz erkannt hast
in meiner Todstille.
Nicht wahr, das ist Gram,
Winter sein, eh‘ der Sommer kam,
eh‘ der Lenz sich ausgejauchzt hat.

O, du! schenk‘ mir deinen gold’nen Tag
von deines Blutes blühendem Rot.
Meine Seele friert vor Hunger,
ist satt vom Reif.
O, du! gieße Dein Lenzblut
durch meine Starre,
durch meinen Scheintod.
Sieh, ich harre
schon Ewigkeiten auf dich!

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Gedicht: Lenzleid von Else Lasker-Schüler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lenzleid“ von Else Lasker-Schüler beschreibt eine tief empfundene Sehnsucht nach Leben und Liebe, die sich in der düsteren Kälte des Winters widerspiegelt. Die erste Strophe thematisiert die Entfremdung zwischen dem lyrischen Sprecher und der Welt. Der „Lenz“, der als Symbol für Frische, Erneuerung und Leben steht, wird unter der „Winterhülle“ des Sprechers verborgen. Der Winter, als Bild für Kälte und Erstarrung, scheint die natürliche Lebenskraft zu ersticken. Doch der andere erkennt dennoch den „Lenz“ – das Leben – in der „Todstille“, was auf eine tiefe Sehnsucht nach Vitalität hinweist, die selbst in Zeiten der Verzweiflung nicht ganz verschwindet. Der „Gram“ ist eine Art Vorahnung des Winters, der den Frühling (den „Lenz“) noch nicht kommen lässt, bevor der „Lenz sich ausgejauchzt hat“.

Die zweite Strophe intensiviert die Sehnsucht des lyrischen Ichs. Der Sprecher fordert den Geliebten auf, ihm seinen „gold’nen Tag“ zu schenken, der von „deines Blutes blühendem Rot“ durchzogen ist. Diese Farbe symbolisiert Leben, Leidenschaft und Energie. Die Bitte, „Lenzblut“ durch die „Starre“ und den „Scheintod“ zu gießen, zeigt das Verlangen nach Erneuerung und Befreiung von der lähmenden Kälte des Winters und der inneren Leere. Der Sprecher fühlt sich von der „Starre“ und dem „Scheintod“ befallen – eine Metapher für einen Zustand emotionaler Erstarrung oder Verzweiflung, in dem das Leben zu einer fernen, unerreichbaren Hoffnung wird.

Das Gedicht stellt eine Kluft zwischen Leben und Tod dar – nicht nur in einem körperlichen, sondern auch in einem emotionalen Sinn. Die „Seele friert vor Hunger“ und ist „satt vom Reif“, was auf einen inneren Zustand der Erschöpfung und des Mangels an Wärme und Zuneigung hinweist. Der „Reif“ als Symbol für Kälte und Abwesenheit von Leben verstärkt das Gefühl der Leere. Der Sprecher ist gefangen in einer kalten, leblosen Welt, in der der Frühling und das Leben – symbolisiert durch den Geliebten – das ersehnte Mittel zur Erlösung sind.

Die letzte Zeile, in der der Sprecher erklärt, „schon Ewigkeiten auf dich“ zu harren, unterstreicht die unendliche Geduld und die lange Zeit des Wartens. Es ist eine Darstellung einer Liebe und Sehnsucht, die über die Zeit hinausgeht und eine tiefe Verbindung zu einem Ideal von Leben und Leidenschaft beschreibt, das noch nicht erfüllt ist.

„Lenzleid“ ist ein Gedicht über die Sehnsucht nach Erneuerung, Leben und Liebe, das mit Bildern der Kälte und des Winters arbeitet, um die innere Leere und den Wunsch nach Befreiung von emotionaler Erstarrung auszudrücken. Es verbindet die Natur mit der inneren Welt des Sprechers und stellt die Spannung zwischen einem sterbenden Zustand und der Hoffnung auf Wiedergeburt und Erfüllung dar.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.