Vermächtnis
Ich will Bäume pflanzen,
die sich breiten, die sich weit verzweigen,
dass auf ihren Ästen Vögel rasten.
Fäller sollen meine frohen Wälder meiden;
und ich will auch freie Bäume pflanzen,
die allein stehn, sonnelichtumwoben.
Unter ihnen soll die Jugend tanzen,
Angesicht zu Angesicht gehoben.
Und ein Jüngling soll der Fiedler sein,
mit vor Sehnsucht blauen Augen,
und so edel sollen seine Hände sein,
dass sie nur zum Geigespielen taugen.
Schlank und fein und wenigen verwandt,
wenig blassen Musikantenhänden,
die mit jedem Bogenzug der Hand
ihre Meisterschaft vollenden.
Und es soll der liebste Geiger mein
in den Gärten vor dem Tore wohnen,
mitten unter breiten Lindenkronen,
bei der Blätter Melodein.
Wo von Früchten schwer sich Zweige
tief wie Trauereschen neigen,
und er soll an jedem Abend
aus dem offnen Fenster geigen.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Vermächtnis“ von Elisabeth Fuhrmann-Paulsen ist eine poetische Vision von Beständigkeit, Schönheit und Harmonie. Es beschreibt den Wunsch, etwas Bleibendes zu hinterlassen – nicht in Form materiellen Besitzes, sondern durch die Natur und die Kunst. Die zentralen Motive sind Bäume und Musik, die als Symbole für Wachstum, Freiheit und Inspiration dienen.
Die ersten Strophen betonen den Wunsch, Bäume zu pflanzen, die Schutz und Raum für Leben bieten. Dabei wird zwischen dichten Wäldern, die den Vögeln Rast gewähren, und einzelnen, „sonnelichtumwobenen“ Bäumen unterschieden, unter denen die Jugend tanzen kann. Die Natur wird hier als ein Ort der Freude, Freiheit und Begegnung gezeichnet, fern von Zerstörung und Eingriffen durch den Menschen.
In der zweiten Hälfte des Gedichts rückt die Musik in den Mittelpunkt. Der Geiger, mit „vor Sehnsucht blauen Augen“ und edlen Händen, verkörpert die Schönheit der Kunst. Seine Musik erfüllt die Gärten, begleitet von der natürlichen Melodie der Blätter. Besonders das Bild, dass seine Hände „nur zum Geigespielen taugen“, verstärkt die Vorstellung einer fast überirdischen, reinen Künstlerfigur.
Die abschließenden Verse mit den schwer von Früchten beladenen Zweigen und dem Geiger, der aus dem offenen Fenster spielt, schaffen eine friedvolle, fast märchenhafte Atmosphäre. „Vermächtnis“ ist damit nicht nur eine poetische Reflexion über das, was bleibt, sondern auch ein Plädoyer für die Verbindung von Natur, Kunst und menschlichem Ausdruck.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.