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Einem auswandernden Freunde

Von

Lebewohl, du lieber Pilger, grüße mir den fernen Strand,
Wo einst Franklin Weisheit säte, Washington einst fechtend stand;
Deine Seele, rein und edel, bleibe drüben so wie hier,
Nur der Blick, der trübe, werde heitrer über’m Meere dir!

Lebewohl! – Dein schönes Auge, ach, nie sah ich’s freudenhell,
Nur, gleich schwarzer Wolke, schüttelnd einzle Blitze lustiggrell;
Doch gesenkt sonst immer neigte wehmutvoll und feierlich,
Eine schwarze Trauerfahne, übers Vaterland es sich.

Lebewohl! – Ha, weiße Segel seh’ ich schon im Wind sich bläh’n,
Seh’, umglänzt vom Meeresspiegel, dich an Bord des Schiffes steh’n,
Das, statt Perlen fremder Meere uns zu zollen, jetzt verkehrt
Wohl der schönsten, hellsten eine raubend uns, von dannen fährt.

Lebewohl! – Gleich Liebesboten tragen flink noch durch das Meer
Zwischen Schiff und Land die Wellen Abschiedsküsse hin und her,
Doch es schifft vom Heimatboden nichts mit dir durch Meeresfluth
Als Erinnerung im Herzen und ein grüner Strauß am Hut.

Und es ist, so will’s mich mahnen, dieser Strauß gleich mir und dir:
Frische Zweige, festgewunden in den Kranz der Frühlingszier,
Und entkeimt dem Heimatboden, der ihm Trieb und Blüthen bot,
Und aus dem auch wir gesogen Jugendmuth und Wangenroth.

Lebewohl! – Die Mörser donnern! Stolz entschwebt das Schiff gen West,
Wimpel all’ und Flaggen deuten, Fingern gleich, die Bahn gen West;
Mit verschränkten Armen seh’ ich an den Mast gelehnt dich steh’n,
Aber gegen Ost dein Auge nach der Heimat Küsten späh’n.

Mich bedünkt, es mag das Auge wohl des Herzens Flagge sein,
Und dein Herz, dieß edle Schifflein, darf des Augs Verrath nicht scheu’n,
Schwer wohl riß es los die Anker, eingebohrt ans Vaterland,
Und vielleicht noch blieb manch einer hängen fest am heim’schen Strand.

Drum, o sprich, was lockt dich drüben, das die Heimat dir versagt?
Ist’s des Rechts erhabner Leuchtthurm, der dir hell herübertagt?
Ist’s der Gnadenort der Freiheit, der Madonna unsrer Zeit?
Hast auch du der großen Wallfahrt gläub’gen Volks dich angereiht?

Wie der Kreuzespilger Schaaren einst gen Zions Trümmerrest,
Wälzt sich jetzt der Völker Heerzug ins gelobte Land gen West;
Ach, wohl wird’s auch euch ergehen, wie sich’s jenen einst begab:
Euer Heiland ist erstanden und ihr trefft ein leeres Grab!

Freund, ich weiß, daß allzu üppig uns der Freiheit Baum nicht sprießt
Und nur wen’ge der Erkornen mit dem breiten Schirm umschließt
Daß bei uns des Rechtes Wage eben andern Wagen gleicht
Und, nebst Recht und Unrecht, manches Andre wägt, was schwer und leicht.

Aber soll dein Leid dir sänft’gen heulender Huronensang,
Wenn’s dem Feuerlied der Freunde nicht beim deutschen Wein gelang?
Soll den Schmerz dir übertäuben Niagaras Donnerhall,
Wenn’s bei sanftem Donaurauschen nicht vermocht die Nachtigall?

Traun, ich fürcht’, an keinem Baume in des Urwalds Nachtverließ,
Unmuthvoller Argonaute, hängt dir dort dein goldnes Vließ!
Und wenn, was du suchst, du fändest, – kannst du schwelgen im Genuß,
Eingedenk der Schaar der Freunde, die daheim noch darben muß?

Eins doch weiß ich, und dieß Eine gibt mir Kraft und Zuversicht:
Keine Nacht war noch so dunkel, der nicht obgesiegt das Licht,
Keines Winters Eis so feste, daß der Lenz es nicht durchhieb,
Keines Kerkers Wand so ewig, daß die Zeit sie nicht zerrieb!

Ja, ich weiß es, – denn uns Allen quillt im Herzen manch ein Quell
Jenes urgewalt’gen Stromes unversiegbar, bronnenhell, –
Segelreich und breit und mächtig durch die Gau’n des Vaterlands
Wird der Strom der Freiheit rauschen einst voll Majestät und Glanz!

Ja, ich weiß es, – denn uns Allen, tief und stillverborgen, sprüht
Manch ein lichter Funke jenes Morgenrothes im Gemüth, –
Ja, des Rechtes klaren Morgen werden wir noch tagend sehn
Liederreich in ew’gem Frühroth über unsern Häuptern stehn!

Dann wallst drüben du am Meere; deiner Sehnsucht schwanker Kahn
Gleitet auf und ab die Wellen, sucht und flieht der Heimat Bahn;
Horch, da klingt’s wie Glockenläuten übers Meer von Osten fern:
Das sind unsrer Dome Glocken, grüßend laut den Morgenstern!

Sieh, da wogt zu deinen Füßen roth und röther stets das Meer,
Und im Rosenglanze glühen Flur und Himmel rings umher,
Urwald selbst und Steppe wollen jetzt ein Rosengarten sein:
Das ist unsrer Morgenröthe übersee’scher Widerschein!

Und was will dieß weiße Segel, schwebend auf der glüh’nden Fluth,
Wie ein Fürstenbrief der Gnade, der auf rothem Kissen ruht?
Ja es ist ein Brief der Liebe, freud’ger Kunde voll, fürwahr,
Auf des Meeres Purpurkissen reicht der Ost dem West ihn dar!

Und du wirst die Kunde lesen. Mit entwölktem hellem Blick
Nach dem Vaterland, dem freien, steuerst wieder du zurück;
Aber statt des schwarzgelockten Jünglingshauptes spiegelt dann
Im Kristalle sich des Meeres ein gebeugter greiser Mann.

Doch was ist dir dann die Heimat, deren Leiden du nicht littst,
Deren Losung du vergessen, deren Kämpfe du nicht strittst,
Deren Banner du nicht schirmtest, deren Reihn du miedest längst
Und zu deren Siegesmahlen du, ein fremder Gast, dich drängst?

Und woran soll dann die Heimat dich erkennen noch als Sohn,
Fremder Mann, der ihre Sprache spricht entwöhnt, in fremdem Ton,
Welch ein Zeichen deiner Abkunft bringst du über Meeresfluth?
Ist’s vielleicht der fahle dürre Strauß auf deinen Pilgerhut?

Dieser Strauß, so will mir’s ahnen, wird dann sein gleich mir und dir:
Altes Reisig, nimmer taugend in des neuen Lenzes Zier,
Längst verdorrt in jener Sonne, die im Ost und West sich gleicht,
Mir und dir gefurcht das Antlitz, mir und dir das Haupt gebleicht! –

Drum, ein schöner Fruchtbaum, wurzle du im heim’schen Boden fest,
Bringt er dir auch Frost und Stürme, bringt er doch auch Lenz und West!
Kreis’ ein Schwan der Hoffnung ruhig auf bewegtem heim’schen Strom,
Trage mit als schmucker Pfeiler an des Vaterlandes Dom!

Weiche nicht von uns, o Jüngling! Laß uns All’ in festen Reihn,
Hand in Hand und Herz am Herzen, stehn ein Wall von Marmelstein! –
Ach, wohl längst schon sieht er nimmer meines Tuches Abschiedsweh’n,
Mählich dunkelt’s, und dem Auge ist das Schiff nicht mehr zu seh’n.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Einem auswandernden Freunde von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Einem auswandernden Freunde“ von Anastasius Grün ist eine komplexe Auseinandersetzung mit dem Thema Auswanderung und der Sehnsucht nach Freiheit, die im Kontext der politischen Unruhen des 19. Jahrhunderts verortet ist. Es ist sowohl eine Abschiedsrede als auch eine Mahnung an den Freund, die Ideale der Heimat nicht zu vergessen und die vermeintliche Freiheit in der Ferne kritisch zu hinterfragen.

Das Gedicht beginnt mit einem Abschiedsgruß, der den Freund, den „Pilger“, der in die Vereinigten Staaten auswandert, mit guten Wünschen begleitet. Der Dichter erinnert an die Werte, für die das Zielland des Freundes steht: Freiheit und Weisheit. Doch schon hier schwingt eine leise Melancholie mit. Der Dichter bedauert den Abschied, der mit dem Weggang des Freundes verbunden ist. Er blickt auf das „trübe Auge“ des Freundes, das die Umstände in der Heimat widerspiegelt.

Im weiteren Verlauf entwickelt sich eine tiefgründige Reflexion über die Motive der Auswanderung und die wahre Bedeutung von Freiheit und Glück. Der Dichter vergleicht die Auswanderung mit einer „Wallfahrt“ ins gelobte Land, verweist aber auf die möglichen Enttäuschungen, die in der Ferne warten. Er hinterfragt, ob die Suche nach Freiheit in der Fremde wirklich zum Glück führt, und erinnert den Freund an die Werte und Ideale, die er in der Heimat finden kann, auch wenn diese mit Leid und Entbehrung verbunden sind. Der Dichter weist auf die Hoffnung hin, dass sich auch in der Heimat die Zeiten ändern und die Freiheit erblühen wird.

Das Gedicht nimmt eine Wendung und verwandelt sich in eine Ermutigung, in der Heimat zu verweilen und am Kampf für eine bessere Zukunft teilzunehmen. Das lyrische Ich beschwört den Freund, sich nicht von den vermeintlichen Vorteilen der Ferne blenden zu lassen und die Verbindung zur Heimat nicht zu kappen. Es betont die Bedeutung von gemeinsamer Solidarität und dem Engagement für die heimischen Werte.

Zum Schluss des Gedichts wird die Auswanderung als Verlust und Entfremdung dargestellt. Das Gedicht endet mit einer tiefen Warnung vor dem Vergessen der Wurzeln und der Entfremdung von der eigenen Identität. Es betont die Bedeutung der Heimat, der gemeinsamen Geschichte und des Kampfes für eine bessere Zukunft in den eigenen Reihen. Der Dichter beschwört den Freund, in der Heimat zu bleiben und gemeinsam mit seinen Freunden für eine freiere und gerechtere Zukunft zu kämpfen. Das Gedicht ist somit nicht nur ein Abschied, sondern auch ein Plädoyer für die Treue zur Heimat und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.