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Eine Fremde

Von

Sie saß in unserm Mädchenkreise,
Ein Stern am Frauen-Firmament;
Sie sprach in unsres Volkes Weise,
Nur leis, mit klagendem Akzent.
Du hörtest niemals heimverlangen
Den stolzen Mund der schönen Frau;
Nur auf den südlich blassen Wangen
Und über der gewölbten Brau′
Lag noch Granadas Mondenschimmer,
Den sie vertauscht um unsern Strand;
Und ihre Augen dachten immer
An ihr beglänztes Heimatland.

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Gedicht: Eine Fremde von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Eine Fremde“ von Theodor Storm zeichnet ein subtiles Porträt einer rätselhaften Frau, die sich in einem neuen Umfeld, fern ihrer Heimat, befindet. Die ersten beiden Strophen etablieren die Szenerie und die besondere Stellung der Frau innerhalb einer Gruppe von Mädchen. Sie wird als „Stern am Frauen-Firmament“ beschrieben, was ihre außergewöhnliche Schönheit und Anmut hervorhebt, aber auch ihre Fremdheit betont. Die Art und Weise, wie sie spricht, mit einem „klagenden Akzent“, deutet auf eine gewisse Melancholie und die Sehnsucht nach ihrer verlorenen Heimat hin.

Die zweite Hälfte des Gedichts vertieft das Verständnis der Fremden und ihrer Emotionen. Storm vermeidet jegliche direkte Äußerung von Heimweh, sondern lässt dieses durch subtile Hinweise aufscheinen. So hört man keinen direkten „Heimverlangen“ aus ihrem Mund, was ihre innere Stärke und ihren Stolz hervorhebt. Stattdessen wird die Sehnsucht in den physischen Merkmalen der Frau widergespiegelt: „auf den südlich blassen Wangen“ und „über der gewölbten Brau“. Diese Beschreibung, zusammen mit der Erwähnung „Granadas Mondenschimmer“, deutet auf ihre Herkunft aus einer südlicheren, wärmeren Region hin, im Kontrast zu der neuen Umgebung.

Die letzten beiden Verse des Gedichts fassen das Wesentliche zusammen. Die Augen der Frau, als „dachten immer / An ihr beglänztes Heimatland“, sind der Schlüssel, um ihre inneren Gefühle zu verstehen. Die Sehnsucht nach der Heimat wird hier nicht durch explizite Worte, sondern durch die tiefgründige Betrachtung in ihren Augen vermittelt. Dieser Ansatz unterstreicht die Poesie des Gedichts, die subtil und suggestiv ist. Die Verwendung des Wortes „beglänzt“ verstärkt die romantische Verklärung der Heimat und die damit verbundene Distanz zu ihrer aktuellen Umgebung.

Insgesamt ist „Eine Fremde“ ein Gedicht über das Gefühl der Entwurzelung und die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat. Storm nutzt sprachliche Bilder und eine feine Beobachtungsgabe, um die innere Welt einer Frau zu erfassen, die in einem neuen Land ein neues Leben beginnt. Das Gedicht ist ein Beispiel für Storms Fähigkeit, komplexe Emotionen mit wenigen, sorgfältig ausgewählten Worten auszudrücken, und bietet eine ergreifende Reflexion über das menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Heimat.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.