Ein Säufertraum
Ich war im Traume betrunken
Und sah ein altes Kamel,
Das war zu Boden gesunken —
Es lachte — bei meiner Seel!
Und bald lag mein ganzes Genie
Neben dem lachenden Vieh.
Der Himmel lachte über mir,
Und ich trank immer noch für Vier.
Mein Kamel kam nicht zu kurz dabei;
Ich ließ es trinken fast für Drei.
Dies war meine schönste Zecherei;
Ich fühlte mich so groß und frei.
Ich trinke — bei meiner ewigen Seele! —
Nur noch mit einem alten Kamele.
Mit Menschen trinken ist der größte Kohl —
Kamele nur verstehn den Alkohol.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Ein Säufertraum“ von Paul Scheerbart zeichnet in humorvoller Weise einen Traumzustand, der von extremer Trunkenheit und einer daraus resultierenden, ungewöhnlichen Freundschaft geprägt ist. Der Träumer erlebt in seinem Rausch eine bizarre Szene, in der er mit einem Kamel in Verbindung tritt. Das Kamel, das zunächst am Boden liegt, erweckt durch sein Lachen den Anschein von Vergnügen und Vertrautheit. Diese skurrile Begegnung bildet den Ausgangspunkt für eine nächtliche Eskapade, die durch das gemeinsame Trinken und das Überschreiten gesellschaftlicher Konventionen gekennzeichnet ist.
Die zentrale Metapher des Gedichts ist das Kamel, das nicht nur als Gesprächspartner des Träumers dient, sondern auch als Spiegelbild seiner eigenen Trunkenheit und seines Verlangens nach Freiheit fungiert. Die im Traum erfahrene Freundschaft mit dem Kamel symbolisiert eine Sehnsucht nach unkonventionellen Beziehungen und nach der Loslösung von den Zwängen der menschlichen Gesellschaft. Die Zeile „Und bald lag mein ganzes Genie / Neben dem lachenden Vieh“ unterstreicht die Auflösung der Grenzen zwischen dem Ich und der Welt, sowie das Infragestellen traditioneller Wertvorstellungen, die in einem Rauschzustand oft aufgehoben werden.
Scheerbarts Gedicht ist von einer spielerischen Leichtigkeit geprägt, die durch die einfachen Reime und den fröhlichen Tonfall erzeugt wird. Die vermeintliche Harmonie zwischen dem Träumer und dem Kamel wird durch die unbeschwerte Sprache und die Betonung des Trinkens als verbindendes Element verstärkt. Die Wiederholung des Trinkens und die Übertreibung in der Menge des konsumierten Alkohols verdeutlichen die Exzesse des Traumes und die damit einhergehende Auflösung der Realität.
Die letzte Strophe des Gedichts liefert eine abschließende Bewertung der Erfahrung. Die Zeilen „Mit Menschen trinken ist der größte Kohl — / Kamele nur verstehn den Alkohol“ stellen eine klare Absage an die menschliche Gesellschaft und eine gleichzeitige Überhöhung der Verbindung zum Kamel dar. Hier wird die Intimität und das Verständnis, das im Rausch zwischen den ungleichen Partnern entstanden ist, als überlegen gegenüber menschlichen Beziehungen dargestellt. Das Gedicht endet also mit einer ironischen Zuspitzung, die die Grenzen zwischen Realität und Traum weiter verwischt und die absurden Aspekte des menschlichen Daseins hervorhebt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.