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Ein nett honett Sonett…

Von

Ein nett honett Sonett so nett zu drechseln
Ist nicht so leicht, ihr Kinderchen, das wett′ ich,
Ihr nennt′s Sonett, doch klingt es nicht sonettig,
Statt Haber füttert ihr den Gaul mit Hexeln.

Dergleichen Dinge muß man nicht verwechseln;
Ein Unterschied ist zwischen einen Rettig,
Und ritt′ ich, rutsch′ ich, rumpl′ ich, oder rett′ ich,
Auch Dichten, Dünnen, Singen, Krähen, Krächzeln.

Drum liegt im Hafen stille doch ein Weilchen,
Und lasset hier das kranke Schiff ausbessern,
Es zeigt mehr Leck′ als Schiff in seiner Fläche:

Noch lecker wird es, ihr bezahlt die Zeche,
Doch dünkt uns lecker nicht ein einzig Zeilchen;
Nach lauem Wasser kann kein Mund je wässern.

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Gedicht: Ein nett honett Sonett... von Ludwig Tieck

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ein nett honett Sonett…“ von Ludwig Tieck ist eine humorvolle und selbstironische Kritik an der Qualität von Sonetten, die der Autor als mangelhaft empfindet. Es ist ein meta-poetisches Werk, das sich mit dem Prozess des Dichtens und der handwerklichen Ausführung eines Sonetts auseinandersetzt. Der Tonfall ist spielerisch und belehrend, mit einem deutlichen Fokus auf die Notwendigkeit von Präzision und Qualität in der Poesie.

In den ersten vier Versen (der Octave) werden die Schwierigkeiten beim Verfassen eines Sonetts betont. Tieck warnt seine „Kinderchen“ vor der vermeintlichen Einfachheit des Sonett-Schreibens. Durch Vergleiche wie „Statt Haber füttert ihr den Gaul mit Hexeln“ und die Verwendung des Begriffs „sonettig“ versucht er, die mangelhafte Qualität der vorgelegten Sonette anzuprangern. Die Metapher vom Pferd, das statt mit Hafer mit minderwertigem Material gefüttert wird, deutet auf mangelnde Pflege und mangelhafte Qualität der geschriebenen Verse hin.

Die zweite Quartette setzt diesen kritischen Ansatz fort, indem sie die Notwendigkeit von Unterscheidung und korrekter Anwendung von Sprache betont. Die Aufzählung von Wörtern wie „Rettich“ und Wortspielen (wie „ritt‘ ich, rutsch‘ ich“) verdeutlichen die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen Formen des Ausdrucks zu unterscheiden, und die Wichtigkeit der klaren, differenzierten Sprache. Das Gedicht setzt fort, indem es das Schreiben mit dem „Dichten, Dünnen, Singen, Krähen, Krächzeln“ vergleicht, was eine abwertende Einschätzung der vorgelegten Werke impliziert.

Die Schlussstrophe (die Terzette) enthält die eigentliche Lehre des Gedichts. Tieck fordert seine „Kinderchen“ auf, „im Hafen still“ zu liegen und ihre „kranken Schiffe“ auszubessern. Die Metapher des Schiffes, das undicht ist („mehr Leck‘ als Schiff“), ist ein starkes Bild für die Mängel in den Sonetten. Die abschließenden Verse unterstreichen die Bedeutung von Qualität und Geschmack in der Poesie. Der Hinweis auf ein „laues Wasser“, das den Mund nicht wässern kann, verdeutlicht, dass die vorgelegten Sonette nicht anregend oder inspirierend wirken. Das Gedicht endet somit mit einem Appell zur Selbstreflexion und Verbesserung.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.