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Ein gülden A B C

Von

A

Armut des Geistes Gott erfreut;
Armut, und nicht Armseligkeit.

B

Besprich dich nicht mit Fleisch und Blut,
Fahr zu, gleich zu, wie Paulus tut,

C

Creuz ist ein Kraut, wenn man es pflegt,
Das ohne Blüte Früchte trägt.

D

Dürst nicht nach Rache und nach Blut;
Vergeben wäre wohl so gut.

E

Ein edles Herz glänzt hell und hold,
Ein gutes ist gediegen Gold.

F

Für was du Gutes hier getan,
Nimm keinen Lohn von Menschen an.

G

Gedultig sein – Herr lehr es mich,
Ich bitte dich, ich bitte dich.

H

Hau deinen Götzen mutig um,
Er sei Geld, Wollust oder Ruhm.

I

In dir ein edler Sklave ist,
Dem du die Freiheit schuldig bist.

K

Kämpf und erkämpf dir eignen Wert;
Hausbacken Brot am besten nährt.

L

Liebt euch auf Erden, liebt, und wißt,
Daß Gott im Himmel Liebe ist.

M

Merk auf die Stimme tief in dir;
Sie ist des Menschen Kleinod hier.

N

Nimm wahr der Zeit; sie eilet sich,
Und kommt nicht wieder ewiglich.

O

O Herr lehr uns bedenken wohl,
Daß wir sind sterblich allzumal.

P

Parabeln sind wohl fein und schön,
Doch muß sie einer auch verstehn.
QQuäl nicht dein Herz ohn Unterlaß,
Ein freier Mut gefällt Gott baß.

R

Recht halte heilig bis in’n Tod,
So bleibt ein Freund dir in der Not.

S

Straf keck das Böse ins Gesicht;
Vergiß dich aber selber nicht.

T

Treib Tugend jeden Augenblick;
Wer nicht voran geht, geht zurück.

U

Und wenn sie alle dich verschrein,
So wickle in dich selbst dich ein.

V

Verlaß dich nicht auf diese Welt;
Sie ist Schaum, der zusammenfällt.

W

Wie wird es dann, o dann uns sein,
Wenn wir der bessern Welt uns freun?

XY

In Sturm die Sonne spiegelt nicht
Im Meer ihr heilig Angesicht.

Z

Zerbrich den Kopf dir nicht zu sehr,
Zerbrich den Willen, das ist mehr.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Ein gülden A B C von Matthias Claudius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ein gülden A B C“ von Matthias Claudius ist eine Sammlung von kurzen, prägnanten Weisheiten, die in alphabetischer Reihenfolge angeordnet sind. Es handelt sich um eine Art moralischer Katechismus, der den Leser anleiten möchte, ein tugendhaftes und gottgefälliges Leben zu führen. Die Verse sind einfach gehalten, oft mit Reimen versehen, was ihnen einen volksliedhaften Charakter verleiht und sie leicht merkbar macht.

Die Themen des Gedichts sind vielfältig, aber sie alle zielen auf die Entwicklung des Charakters und die geistige Reifung des Menschen ab. Es werden Werte wie Demut („Armut des Geistes“), Selbstbeherrschung („Dürst nicht nach Rache“), Geduld („Gedultig sein“), Tugendhaftigkeit („Treib Tugend“), Liebe („Liebt euch auf Erden“) und die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit („O Herr lehr uns bedenken“) betont. Claudius ermutigt den Leser, sich von irdischen Versuchungen wie Ruhm, Geld und Wollust („Hau deinen Götzen um“) zu distanzieren und stattdessen nach innerer Freiheit und Erkenntnis zu streben („In dir ein edler Sklave ist“).

Ein zentraler Aspekt des Gedichts ist die Betonung der göttlichen Liebe und der Bedeutung von Nächstenliebe („Daß Gott im Himmel Liebe ist“). Claudius mahnt zur Vergebung, zur Selbstreflexion („Merk auf die Stimme tief in dir“) und zur Wahrnehmung der Vergänglichkeit des irdischen Lebens („Nimm wahr der Zeit“). Durch die Verwendung von Metaphern und Bildern, wie dem „Kreuz“, das „Früchte trägt“, oder der Sonne, die sich im Sturm nicht spiegelt, wird der Leser angeregt, über die tieferen Bedeutungen der Verse nachzudenken. Die einzelnen Strophen stehen zwar für sich, bilden aber in ihrer Gesamtheit ein kohärentes Bild eines frommen und weisen Lebenswandels.

Die Struktur des Gedichts, die Verwendung des Alphabets, verleiht ihm eine didaktische Note. Es wirkt wie eine alphabetisch geordnete Sammlung von Lebensweisheiten, die den Leser Schritt für Schritt durch verschiedene Aspekte des menschlichen Lebens und der spirituellen Entwicklung führt. Die Kürze der einzelnen Verse und ihre rhythmische Gestaltung erleichtern das Einprägen und die Anwendung im Alltag. Insgesamt ist „Ein gülden A B C“ ein Werk, das in seiner Einfachheit und Klarheit eine tiefgründige Botschaft vermittelt, die auch heute noch Gültigkeit besitzt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.