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Ein Dithmarsischer Bauer

Von

Der warme Sommer scheidet
Mit seinem letzten Strahl;
Der Sohn des Südens schneidet
Das Korn zum zweiten Mal;
Man bäckt′s am Donaustrande,
Man mahlt′s am Rhein und Main,
Und führt′s am fernsten Rande
Des Reichs zum Dreschen ein.

Hier liegt nun, rings umflossen
Vom Elb- und Eiderfluß,
Ein Freiland, wohl verschlossen,
Dem Kaiser zum Verdruß,
Der′s längst dem Kronenträger
Von Dänemark verliehn,
Doch, wie den Leu dem Jäger:
Fang ihn, so hast du ihn!

Dort gilt es, sich zu rühren,
Daß nicht der Hagelschlag,
Den manche Ernten spüren,
Die Frucht noch zehnten mag;
Drum rücken alle Hände
Dithmarschens auch ins Feld,
Und zur Quatember-Wende
Ist stets das Werk bestellt!

Nun spricht ein greiser Bauer
In seiner Knechte Kreis:
Wir haben′s heute sauer,
Es gilt den letzten Schweiß;
Auf morgen fürcht ich Regen,
Die Wolken sind zu kraus,
Drum muß der Gottessegen
Mir noch vor Nacht ins Haus!

Er spricht′s im barschen Tone,
Und fügt kein Wort hinzu
Von doppelt großem Lohne
Und langer Sonntagsruh;
Doch hört man keinen fluchen,
Denn durch das Weihnachtsbrot
Und durch den Osterkuchen
Vergilt er das Gebot.

Nun geht die Arbeit wacker
Und fröhlich ihren Gang,
Der Weg vom Hof zum Acker
Scheint nur noch halb so lang,
Die vollen Wagen fliegen,
Wie sonst die leeren kaum,
Und ganze Felder schmiegen
Sich unterm Windelbaum.

Doch immer dunkler türmen
Die Wolken sich empor;
Der erste von den Stürmen
Des Herbstes steht bevor.
Die weißen Möwen wagen
Sich kreischend übern Deich;
Die Krähen fliehn mit Zagen,
Die Spatzen folgen gleich.

Der Junge bringt das Essen:
Zurück! Noch fehlt die Zeit!
Der Mittag sei vergessen,
Der Abend ist nicht weit!
Die Pferde selbst gedulden
Sich heut und springen froh,
Auch zahl ich meine Schulden
In Hafer, nicht in Stroh!

Und trüber wird′s und trüber,
Je mehr die Dämmrung naht;
Wie pfeift es schon herüber
Vom hohlen Seegestad!
Hinan zum Deiche trabend,
Denkt jetzt der Alte still:
Die haben Feierabend,
Ich – Nun, wie Gott es will!

Jetzt muß das Wetter brechen!
Gleichviel, wir sind gedeckt,
Denn schon wird mit dem Rechen
Die letzte Fuhr′ besteckt!
Sie kommt auch ohne Schaden
Noch vor der Scheune an,
Doch gar zu hoch beladen,
Klemmt sie im Tor sich dann!

Vorwärts! Die Pferde beißen
In ihr Geschirr vor Wut,
Die dicken Stränge reißen,
Zum Schweiße fließt schon Blut!
Doch hilft nicht Kraft, noch Schnelle,
Die Scheune selber rückt
Wohl eher von der Stelle,
Als daß die Durchfuhr glückt!

Und plötzlich bricht das Rasen
Der Elemente los,
Der Winde scharfes Blasen
Zerschlitzt der Wolken Schoß,
Da kann ihn nichts mehr stopfen,
Den neuen Sündflut-Born,
Und jeder Wassertropfen
Fällt, wie ein Hagelkorn.

Nun speit der Alte Flammen:
Der Pferde sind nur zwei,
Der Kerle fünf beisammen,
So tretet selbst herbei!
Gebt acht, wir werden′s zwingen,
Wenn ihr die Räder packt
Und ich vor allen Dingen
Die Deichsel, bis sie knackt.

Die Knechte aber denken:
Ein Tor ist, wer so spricht,
Auch darf man′s ihm nicht schenken,
Er kennt die Grenze nicht!
Man muß ihm einmal geigen,
Sonst ist er toll genug
Und spannt uns noch als eigen
Im Frühling vor den Pflug.

Sie schweigen zwar, und nicken,
Als wär′ es ihnen recht,
Doch merkt man wohl, sie schicken
In den Befehl sich schlecht.
Sie glotzen dumm und dämisch,
Wie er die Deichsel faßt,
Und grinsen mehr, als flämisch,
Bei seinem: Aufgepaßt!

Und doch! Es ist gelungen
Auf einen einz′gen Ruck!
Habt Dank, ihr braven Jungen!
Nun gibt′s auch einen Schluck!
Ich geb euch eine Tonne
Hamburger Bier zur Nacht,
So zecht denn, bis die Sonne
Dem Spaß ein Ende macht!

Die Knechte aber stehen
Mit offnem Munde da,
Als hätten sie gesehen,
Was nie noch einer sah;
Dann rufen sie: Sie nennen
Euch längst den Goliath,
Ihr dürft euch wohl bekennen.
Ich mach auch den noch matt!

Was rühmt ihr meine Stärke?
Seid ihr nicht selbst erhitzt?
Ihr habt ja Teil am Werke,
Bin ich es denn, der schwitzt?
Wir dürfen euch schon loben
Für dieses Teufelsstück:
Wir haben nicht geschoben,
Wir hielten bloß zurück!

So will ich kurz mich fassen:
Ich bin dem Spaß nicht hold,
Doch mögt ihr heute prassen,
So toll ihr immer wollt,
Auch sei auf eure Mühe
Euch nicht die Rast verwehrt,
Nur, daß ihr in der Frühe
Euch gleich vom Hof mir schert!

Jetzt naht sich aus der Küche
Die Frau mit stolzem Schritt
Und bringt die Wohlgerüche
In ihren Röcken mit;
Sie ruft mit krauser Stirne:
Ei, Wirt, was säumt ihr noch?
Den Stall versieht die Dirne
Und fertig ist der Koch!

Frau, mich soll Gott behüten
Vor Speis′ und auch vor Trank
Bei solcher Stürme Wüten,
Doch habt für diese Dank!
Die können ruhig trinken,
Es wird darum kein Schiff
Auf finstrer See versinken
Am Helgolander Riff!

Nun nickt er ihr, dann reitet
Er eilig wieder fort,
Zum Deich zurück und leitet
Die Strand- und Schiffswacht dort;
Er hat dafür zu sorgen,
So will′s das Schlüteramt,
Daß hell bis an den Morgen
Die Feuertonne flammt.

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Gedicht: Ein Dithmarsischer Bauer von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ein Dithmarsischer Bauer“ von Friedrich Hebbel ist eine lebendige Schilderung des Arbeitsalltags und der Widerstandsfähigkeit der Bauern in Dithmarschen. Es zeigt den Kampf gegen die Natur, die Bedeutung von Gemeinschaft und die Rolle des Einzelnen innerhalb dieser Gemeinschaft. Das Gedicht entfaltet sich in einer Reihe von Szenen, die den Leser durch einen Tag auf dem Feld und am Deich führen, von der Ernte bis zur drohenden Herbststurmböe.

Das Gedicht ist in einer klaren, erzählenden Form geschrieben, die es dem Leser ermöglicht, sich leicht in die Geschichte einzufinden. Hebbels Sprache ist direkt und anschaulich, voller regionaler Begriffe und Ausdrücke, die die Authentizität des Gedichts unterstreichen. Die Struktur des Gedichts folgt einem logischen Ablauf, beginnend mit der Ernte, die von den Bauern durchgeführt wird, bis hin zur drohenden Wetterveränderung und dem Kampf, die Ernte rechtzeitig einzubringen. Es ist ein Zeugnis von harter Arbeit, Ausdauer und dem festen Willen, sich den Herausforderungen der Natur zu stellen.

Das Gedicht beleuchtet die komplexen Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft, insbesondere zwischen dem alten Bauern und seinen Knechten. Der Bauer, eine starke und dominante Figur, gibt Befehle und erwartet Gehorsam. Die Knechte, trotz anfänglicher Skepsis und einer gewissen Resistenz gegen seine Anweisungen, leisten letztendlich ihren Beitrag. Das Gedicht zeigt, wie unterschiedliche Charaktere im Angesicht einer gemeinsamen Bedrohung zusammenarbeiten. Die finale Anerkennung durch die Knechte und die großzügige Belohnung des Bauern unterstreichen die Bedeutung von Teamwork und gegenseitiger Wertschätzung.

Die Natur spielt eine zentrale Rolle in Hebbels Gedicht. Das Wetter, insbesondere der herannahende Sturm, wird als mächtiger Gegenspieler dargestellt, der die Arbeit der Bauern gefährdet. Die Landschaft von Dithmarschen wird durch die Erwähnung von Flüssen, Deichen und Möwen lebendig. Dieses Zusammenspiel von Mensch und Natur, von harter Arbeit und den unberechenbaren Kräften der Umwelt, verleiht dem Gedicht eine besondere Spannung und Tiefe. Das Gedicht endet mit dem alten Bauern, der in die Nacht reitet, um über die Sicherheit des Deichs und die Schifffahrt zu wachen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.