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Dritte Ode

Von

Sei gefühllos!
Ein leichtbewegtes Herz
Ist ein elend Gut
Auf der wankenden Erde.

Behrisch, des Frühlings Lächeln
Erheitre deine Stirne nie;
Nie trübt sie dann mit Verdruß
Des Winters stürmischer Ernst.

Lehne dich nie an des Mädchens
Sorgenverwiegende Brust,
Nie auf des Freundes
Elendtragenden Arm.

Schon versammelt
Von seiner Klippenwarte
Der Neid auf dich
Den ganzen, luchsgleichen Blick,

Dehnt die Klauen,
Stürzt und schlägt
Hinterlistig sie
Dir in die Schultern.

Stark sind die magern Arme
Wie Pantherarme,
Er schüttelt dich
Und reißt dich los.

Tod ist Trennung,
Dreifacher Tod
Trennung ohne Hoffnung
Wiederzusehn.

Gerne verließest du
Dieses gehaßte Land,
Hielte dich nicht Freundschaft
Mit Blumenfesseln an mir.

Zerreiß sie! Ich klage nicht.
Kein edler Freund
Hält den Mitgefangnen,
Der fliehn kann, zurück.

Der Gedanke
Von des Freundes Freiheit
Ist ihm Freiheit
Im Kerker.

Du gehst, ich bleibe.

Aber schon drehen
Des letzten Jahrs Flügelspeichel
Sich um die rauchende Achse.

Ich zähle die Schläge
Des donnernden Rads,
Segne den letzten,
Da springen die Riegel, frei bin ich wie du.

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Gedicht: Dritte Ode von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dritte Ode“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine düstere Betrachtung über das menschliche Leben, die Gefühlskälte und die Einsamkeit. Es beginnt mit einem Imperativ: „Sei gefühllos!“, und etabliert somit den Kern der Botschaft. Das Gedicht beschreibt die Welt als einen Ort der Unsicherheit und des Leids, in der Gefühle eher eine Bürde als eine Quelle des Glücks darstellen. Die Empfehlung zur Gefühllosigkeit wird als Schutzmechanismus gegen die Widrigkeiten des Lebens verstanden.

Die Ode entwickelt diese These weiter, indem sie die Gefahren des emotionalen Engagements aufzeigt. Der Dichter warnt vor dem Vertrauen in das Lächeln des Frühlings, der Liebe eines Mädchens oder die Unterstützung eines Freundes. Diese Beziehungen, so der Tenor, sind fragil und können zu Leid und Verlust führen. Der Neid, personifiziert als Raubtier, lauert und greift nach dem Einzelnen, der sich auf Gefühle verlässt. Die Metapher des „Tods“ und der „Trennung“ verstärkt die Tragik und die finale Natur des Verlusts von geliebten Menschen oder des Scheiterns in Beziehungen.

In den späteren Strophen wird die Thematik der Freundschaft und des Abschieds erörtert. Goethe spricht von Freundschaftsbanden, die den Dichter im „gehaßten Land“ festhalten. Dennoch ermutigt er seinen Freund, diese Banden zu zerreißen und in die Freiheit zu fliehen. Das Gedicht verherrlicht die Freiheit des Geistes, sogar im Angesicht der Einsamkeit. Die Zeilen „Der Gedanke / Von des Freundes Freiheit / Ist ihm Freiheit / Im Kerker“ zeigen, dass die Freiheit des einen Freundes auch dem anderen Trost spendet.

Das Gedicht endet mit einem Gefühl der Resignation und des Wartens auf das eigene Ende. Der Dichter akzeptiert seinen Verbleib, während der Freund frei ist. Doch die letzten Zeilen deuten auf die Gewissheit des eigenen Todes hin, der als Befreiung von den Ketten des Lebens gesehen wird. Das „donnernde Rad“ symbolisiert den Lauf der Zeit, der unaufhaltsam dem Tod entgegentreibt, und die abschließende Zeile „frei bin ich wie du“ drückt die ersehnte Freiheit aus, die im Tod gefunden wird, wodurch die Ode einen zutiefst existenzialistischen Charakter erhält. Das Gedicht ist somit ein Plädoyer für Gefühllosigkeit als Schutzmechanismus gegen die Härten des Lebens, gepaart mit der Erkenntnis der Unvermeidbarkeit des Todes.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.