Drahtklänge
Ihr dunklen Drähte, hingezogen
So weit mein Aug′ zur Ferne schweift,
Wie tönt ihr, wenn der Lüfte Wogen
In euch so wie in Saiten greift!
O welch′ ein seltsam leises Klingen,
Durchzuckt von schrillem Klagelaut,
Als hallte nach, was eu′ren Schwingen
Zu raschem Flug ward anvertraut.
Als zitterten in euch die Schmerzen,
Als zitterte in euch die Lust,
Die ihr aus Millionen Herzen,
Verkündend, tragt von Brust zu Brust.
Und so, ihr wundersamen Saiten,
Wenn euch des Windes Hauch befällt,
Ertönt ihr in die stillen Weiten
Als Aeolsharfe dieser Welt!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Drahtklänge“ von Ferdinand Ludwig Adam von Saar ist eine poetische Reflexion über die Klänge, die von Telegrafen- oder Telefonleitungen ausgehen, wenn sie vom Wind angeregt werden. Es zeichnet sich durch eine romantische Sensibilität aus, die die scheinbar banalen Drähte in ein Medium für Emotionen und Botschaften verwandelt. Die Verse drücken eine Faszination für die verborgene Musik aus, die in diesen technischen Artefakten schlummert, und verleihen ihnen eine Seele.
Der erste Abschnitt stellt die Drähte als „dunkle Drähte“ dar, die sich über weite Strecken erstrecken und das menschliche Auge in die Ferne ziehen. Die Frage nach dem Klang, der entsteht, wenn der Wind durch sie hindurchfährt, etabliert sofort eine Verbindung zwischen der physischen Welt und der Welt der Empfindung. Die Metapher des „Greifens“ des Windes in den Drähten wie in Saiten deutet auf eine musikalische Qualität hin, die dem scheinbar leblosen Material innewohnt.
Im zweiten Abschnitt werden die Klänge genauer beschrieben. Es ist ein „seltsam leises Klingen“, das von „schrillem Klagelaut“ durchzogen ist. Diese Beschreibung deutet auf eine Vielfalt von Emotionen hin, von denen Traurigkeit und Schmerz nur zwei Aspekte sind. Die Drähte scheinen die Erfahrungen und Gefühle, die ihnen anvertraut werden, widerzuspiegeln. Die Vorstellung, dass die Drähte die in ihnen enthaltenen Informationen weitergeben, verleiht ihnen eine menschliche Qualität.
Im dritten Abschnitt wird die Idee weiter verstärkt, dass die Drähte menschliche Emotionen wie Schmerz und Freude widerspiegeln. Sie tragen „aus Millionen Herzen“ Botschaften von „Brust zu Brust“. Dies betont die Rolle der Drähte als Vermittler menschlicher Erfahrungen, die über weite Entfernungen hinweggetauscht werden. Der letzte Abschnitt vergleicht die Drähte mit einer „Aeolsharfe“, einem Musikinstrument, das durch den Wind zum Klingen gebracht wird. Dies unterstreicht die poetische Natur des Gedichts und die Fähigkeit des Autors, technische Objekte in etwas Elegantes und Emotionelles zu verwandeln. Die letzte Zeile lässt das Gedicht mit einem Gefühl von Ehrfurcht und Wertschätzung für die stille Musik der Welt enden.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.