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Diokletian

Von

Da steht auch das! Mein Grabmal! Sieben Jahr′
Sind abermals herum, und hell und klar,
Wie immer blickt die Sonne auf den Greis,
Der müde ist und nicht zu sterben weiß.
Dies sollte meine letzte Arbeit sein:
Das Bett ist fertig, doch ich schlaf nicht ein!

Nun, setzt kein Gott mir das ersehnte Ziel,
So tu ich′s selbst, ich hab es satt, das Spiel;
Es scheint zwar bunt, doch wiederholt sich′s nur,
Die Tage sind, wie Blumen auf der Flur:
Der Farbenwechsel täuscht zwar kurze Zeit,
Dann kennt man sie für alle Ewigkeit.

Das Werk ist wohlgeraten! Tritt heran,
O Bildner, daß ich dich belohnen kann!
Den Preis empfingst du, Silber oder Gold,
Ich weiß nicht was, soviel du selbst gewollt,
Doch hast du Rätsel in den Stein gehaun:
Ich will zum Dank dir jetzt den Sinn vertraun.

Siehst du den Jüngling, der die Säcke trägt?
Und auch den krausen Mohren, der ihn schlägt?
Wer mag′s wohl sein, den hier die Peitsche traf?
Ich bin es selbst! mein Vater war ein Sklav.
Du staunst darob? So lehre dich mein Ruhm:
Ein Kaiser findet stets sein Kaisertum.

Da ist er wieder! Aber auf der Flucht,
Verfolgt von Häschern, grimmig und verrucht!
Er tötete den Vogt in raschem Zorn
Und schüttete umsonst auf ihn sein Korn,
Doch war′s ein Glück für ihn, er eilt zum Heer,
Man reiht ihn ein, und keiner straft ihn mehr.

Nun Schlacht auf Schlacht, bis jene letzte kam,
Die Rom den Herrn und mir den Führer nahm.
Ich rächt′ ihn, da erscholl ein Jubelschrei,
Als ob er wieder auferstanden sei,
Es galt mir selbst, und eh′ ich′s je geglaubt,
Trug ich des Toten Krone auf dem Haupt.

Doch ging es jetzt nicht nächsten Wegs nach Haus,
Ich maß vorher das Rund der Erde aus
Und richtete die Adler wieder auf,
Die man zertrümmert in der Zeiten Lauf,
Und an der Schnur die Völker, dumpf und stumpf,
Die das verbrochen, hielt ich den Triumph.

Dort ihr Gewühl! Jedwedes Angesicht
Ein Sonnenabdruck, dunkel oder licht,
Wie sie die Zone färbte, schwarz geraucht,
Und wie von Flammen rötlich angehaucht,
So stieren sie zum Kapitol empor,
Wo ich mich neige vor der Götter Chor.

Nun funfzig Jahre auf dem Römerthron!
Zwar anfangs noch im Kampf mit Trotz und Hohn,
Doch immer siegreich, endlich ohne Feind,
Die ganze Menschheit stumm und wie versteint,
Nur Odem übrig für ein einzig Wort:
Hoch Diokletian! Und ewig fort!

Genug! Genug! Mein Jubeltag ist da,
Die Völker ziehn herbei von fern und nah.
Das Fest ist selten, das man feiern will,
Doch ein noch seltneres bereit ich still:
Sie bieten mir die Welt zum zweiten Mal,
Ich weise sie zurück als leer und schal.

Hier auf dem Markt leg ich die Krone ab
Und sorge nur noch für das Kaisergrab,
Denn statt des Goldes, das sie mir gebracht,
Und statt der leuchtenden Juwelenpracht,
Beding ich mir als letztes Liebespfand
Von einem jeden eine Hand voll Sand.

Die sollen sie mir opfern nach dem Tod,
Und sie beschwören willig mein Gebot.
Die ganze Erde hat vor mir gebebt
Und trägt mein Zeichen; wenn man mich begräbt,
So will ich in der ganzen Erde ruhn,
Wie′s Weltgebietern ziemt und ihrem Tun.

Nun baut′ ich mir den mächtigen Palast,
Der bald schon wieder eine Stadt umfaßt.
Der neue Cäsar zittert nicht vor mir,
Der Tod vergißt mich, und es wird mir schier,
Als wär′ dem einz′gen, der sie nicht begehrt,
Vom Schicksal die Unsterblichkeit beschert.

Heut fiel mir schon die erste Frucht vom Baum,
Den ich gepflanzt, als Zoll für meinen Gaum,
Längst ist der Wipfel meiner Zeder grün,
Ich seh wohl gar die Aloe noch blühn!
Doch nein! Du sollst nicht warten auf den Schluß
Zum Epitaph, den ich dir liefern muß!

Drum heut der Tod! Und wie es dir gefällt,
Sterb ich als Weiser oder auch als Held.
Was zieht der Künstler vor? Den Giftpokal
In meiner Rechten, oder diesen Stahl?
Du wählst nicht? Wohl, so wähle ich für dich,
Die Sonne will nicht gehn, so geh denn ich.

Zurück von meinem kaiserlichen Leib!
Glaubst du, ich laß mich halten, wie ein Weib?
Zwar bin ich ohne Krone, ohne Reich,
Doch hier, du siehst es, Herr und Knecht zugleich.
Auch das geglückt! Wie stark das Blut noch quillt!
Da ist die Skizze – geh nun rasch ans Bild!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Diokletian von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Diokletian“ von Friedrich Hebbel ist eine tiefgründige Reflexion über Macht, Ruhm, Vergänglichkeit und den Wunsch nach Selbstbestimmung am Ende des Lebens eines römischen Kaisers. Es ist im Wesentlichen ein Monolog, in dem Diokletian, kurz vor seinem Tod, auf sein Leben zurückblickt, die gewonnenen Erfahrungen reflektiert und seine Entscheidung zum Selbstmord trifft.

Hebbel beginnt das Gedicht mit dem Kaiser, der an seinem Grabmal steht und die Wiederkehr des siebten Jahres nach seiner Abdankung feststellt. Die Sonne, ein Symbol für das Leben und die Zeit, scheint unaufhörlich auf ihn herab, während er der Müdigkeit und dem Unvermögen zu sterben Ausdruck verleiht. Diokletian ist sich der Leere seines Lebens bewusst, der sich wiederholenden Natur der Tage, die er mit Blumen vergleicht, deren Farben sich nur scheinbar ändern, aber letztendlich dem ewigen Kreislauf unterliegen.

Der Kaiser blickt auf sein Leben zurück, beginnend mit seiner Kindheit und seiner Herkunft als Sklavensohn. Durch Fleiß und Glück erlangte er die Macht. Seine Karriere von einfachen Soldat zum Kaiser wird geschildert. Dabei wird die Geschichte weniger als Heldengeschichte, sondern als eine Abfolge von Umständen und Entscheidungen dargestellt, die ihn letztendlich auf den Thron führten. Die Schilderung seines Lebensweges betont die Willkür des Schicksals und die scheinbare Unvermeidlichkeit der Ereignisse, die zur Macht führen. Er beschreibt seine militärischen Erfolge, seine Herrschaft und die Bewunderung, die er erfuhr.

Trotz all seines Ruhmes, seiner Macht und seines Reichtums findet Diokletian keinen Frieden. Er erkennt die Leere des menschlichen Strebens und die Sinnlosigkeit des Reichtums und der äußeren Ehre. Er weist die Welt zurück, die er durch die Abdankung erlangte, und wählt stattdessen den Tod. Sein Wunsch nach einer Handvoll Sand als letztes Vermächtnis symbolisiert die Vergänglichkeit aller irdischen Güter und seinen Wunsch nach einer einfachen, bescheidenen Ruhe. Die Entscheidung, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, wird zu einem Akt der Selbstbestimmung und der Freiheit von den Fesseln der Macht und der Welt.

Das Gedicht endet mit der Ankündigung des Selbstmords, der von Diokletian mit einer beinahe nüchternen Ruhe angekündigt wird. Er ist sich seiner selbst und der ihn umgebenden Welt bewusst, frei von Illusionen und bereit, seinem Leben ein Ende zu setzen. Das Gedicht ist ein Ausdruck der menschlichen Tragödie, die in der Unfähigkeit, dem Lauf der Zeit und dem Schicksal zu entkommen, ihren Höhepunkt findet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.