Die Waage
„Du zählst die Stimmen: wäge sie, willst du nicht
Des Ruhms dich töricht freuen, der dir erschallt.“
Sehr mühsam ist die Wägung! „Nun so
Zähle zugleich denn die Widerhalle.“
Der Blick ermüdet, der auf die Waage schaut.
Wie säumts! wie viel der lastenden Zeit entschleicht,
Bevor im Gleichgewicht die Schalen
Schweben, und endlich der Weiser ausruht!
Und tönt der Nachhall etwa Unliebliches,
Wenn er in ferner Grotte Musik beginnt,
Und seine Melodie sich immer
Sanfter dem Ohre verlieret? „Zähle!“
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Waage“ von Friedrich Gottlieb Klopstock thematisiert die Schwierigkeit der Bewertung und die Bedeutung kritischer Selbstreflexion, insbesondere im Hinblick auf Ruhm und Anerkennung. Es stellt die mühsame Aufgabe der Beurteilung dar, sei es im Zählen von Stimmen oder im Abwägen der Resonanz, die ein Werk oder eine Tat findet. Der zentrale Begriff „Wägung“ steht symbolisch für den Prozess der genauen Betrachtung und der ausgewogenen Einschätzung.
Im ersten Teil des Gedichts wird die mühsame Natur des Abwägens hervorgehoben. Der Sprecher fordert den Leser auf, die „Stimmen“ zu zählen und abzuwägen, um sich nicht „töricht“ am Ruhm zu erfreuen. Die Metapher der Waage verdeutlicht die Notwendigkeit, sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte zu berücksichtigen. Die „lastende Zeit“ und die langsam schwebenden Schalen der Waage unterstreichen die Geduld und Ausdauer, die für eine fundierte Beurteilung erforderlich sind. Der Ermüdungsaspekt des Blicks, der auf die Waage gerichtet ist, weist auf die Anstrengung hin, die mit diesem Prozess verbunden ist.
Der zweite Teil des Gedichts erweitert die Thematik um die Frage nach der Reaktion, dem „Nachhall“. Hier wird die Qualität der Resonanz thematisiert, was darauf hindeutet, dass nicht nur die Anzahl der Stimmen, sondern auch deren Art und Weise wichtig sind. Die Frage nach der „Unlieblichkeit“ des Nachhalls deutet auf die Möglichkeit kritischer Stimmen oder Ablehnung hin, die ebenfalls in die Bewertung einbezogen werden müssen. Die Metapher der „fernen Grotte“ und der „Melodie“, die sich „sanfter dem Ohre verlieret“, evozieren ein Gefühl von Entfernung und dem langsamen Verblassen der Auswirkungen eines Werkes oder einer Handlung.
Das Gedicht mündet in einen Imperativ, „Zähle!“, der die Notwendigkeit der fortlaufenden Selbstprüfung und des kritischen Abwägens bekräftigt. Klopstock fordert den Leser somit auf, die Bewertungen und Rückmeldungen, die erhalten werden, sorgfältig zu untersuchen und zu berücksichtigen. Die Waage dient hier als Symbol für die ständige Auseinandersetzung mit sich selbst, den eigenen Leistungen und deren Wirkung auf andere. Das Gedicht ermutigt zur Ehrlichkeit und fordert dazu auf, nicht nur die positiven Aspekte, sondern auch etwaige Kritikpunkte oder Widersprüche zu berücksichtigen, um zu einem fundierten Urteil zu gelangen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.