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Die Verfluchten

Von

Es dämmert. Zum Brunnen gehn die alten Fraun.
Im Dunkel der Kastanien lacht ein Rot.
Aus einem Laden rinnt ein Duft von Brot
Und Sonnenblumen sinken übern Zaun.

Am Fluß die Schenke tönt noch lau und leis.
Guitarre summt; ein Klimperklang von Geld.
Ein Heiligenschein auf jene Kleine fällt,
Die vor der Glastür wartet sanft und weiß.

O! blauer Glanz, den sie in Scheiben weckt,
Umrahmt von Dornen, schwarz und starrverzückt.
Ein krummer Schreiber lächelt wie verrückt
Ins Wasser, das ein wilder Aufruhr schreckt.

Am Abend säumt die Pest ihr blau Gewand
Und leise schließt die Tür ein finstrer Gast.
Durchs Fenster sinkt des Ahorns schwarze Last;
Ein Knabe legt die Stirn in ihre Hand.

Oft sinken ihre Lider bös und schwer.
Des Kindes Hände rinnen durch ihr Haar
Und seine Tränen stürzen heiß und klar
In ihre Augenhöhlen schwarz und leer.

Ein Nest von scharlachfarbnen Schlangen bäumt
Sich träg in ihrem aufgewühlten Schoß.
Die Arme lassen ein Erstorbenes los,
Das eines Teppichs Traurigkeit umsäumt.

Ins braune Gärtchen tönt ein Glockenspiel.
Im Dunkel der Kastanien schwebt ein Blau,
Der süße Mantel einer fremden Frau.
Resedenduft; und glühendes Gefühl

Des Bösen. Die feuchte Stirn beugt kalt und bleich
Sich über Unrat, drin die Ratte wühlt,
Vom Scharlachglanz der Sterne lau umspült;
Im Garten fallen Äpfel dumpf und weich.

Die Nacht ist schwarz. Gespenstisch bläht der Föhn
Des wandelnden Knaben weißes Schlafgewand
Und leise greift in seinen Mund die Hand
Der Toten. Sonja lächelt sanft und schön.

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Gedicht: Die Verfluchten von Georg Trakl

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Verfluchten“ von Georg Trakl ist eine düstere und beklemmende Auseinandersetzung mit Themen wie Verfall, Tod, Isolation und dem Bösen. Die Bildsprache ist stark von einer symbolischen Verwendung von Farben, insbesondere Blau, Schwarz und Rot, sowie von Bildern des Verfalls und der Zerstörung geprägt. Das Gedicht zeichnet ein Bild einer Welt, in der das Verderben allgegenwärtig ist und in der die menschliche Existenz von Leid und Verzweiflung überschattet wird.

Trakl verwendet eine Vielzahl von Bildern, um diese düstere Atmosphäre zu erzeugen. Der „blaue Glanz“ und das „blaue Gewand der Pest“ stehen für Krankheit und Tod, während „schwarze“ Elemente wie die „schwarze Last“ des Ahorns und die „schwarz und leeren Augenhöhlen“ die Leere und Sinnlosigkeit des Lebens symbolisieren. Der „krumme Schreiber“ und die „alten Fraun“ repräsentieren vielleicht eine Gesellschaft, die dem Untergang geweiht ist. Auch die im Text erwähnten Schlangen symbolisieren das Böse und die Versuchung. Das Gedicht verwebt diese Elemente zu einem verstörenden Gemälde, das den Leser in eine Welt des Zerfalls und der Verzweiflung eintauchen lässt.

Das Gedicht hat mehrere Ebenen der Interpretation. Auf einer offensichtlichen Ebene beschreibt es eine Reihe von Szenen, die von Verfall und Tod geprägt sind. Es gibt Hinweise auf Prostitution, Krankheit und den Einfluss des Todes auf die Unschuld der Kindheit. Auf einer tieferen Ebene ist das Gedicht eine Reflexion über die menschliche Existenz und das tragische Schicksal des Menschen. Die „Verfluchten“ sind nicht nur Individuen, sondern auch die gesamte Menschheit, die dem Untergang geweiht ist.

Die Sprache Trakls ist von einer spezifischen Musikalität geprägt, die durch die Wiederholung von Wörtern und Bildern sowie durch den Einsatz von Reim und Rhythmus erzeugt wird. Der scheinbar einfache Sprachstil steht dabei im Gegensatz zur komplexen und beunruhigenden Thematik, was die Intensität des Gedichts noch verstärkt. Die Verwendung von Adjektiven wie „feucht“, „kalt“ und „schwarz“ trägt zur Schaffung eines Sinnesbildes bei, das die Leser in eine beklemmende Welt voller Sinnbilder und Andeutungen hineinzieht. Das Gedicht ist nicht nur eine Beschreibung, sondern eine Erfahrung, die den Leser in ihren Bann zieht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.