Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , ,

Die Rakete und der Kater

Von

Hui! Die Rakete stieg. Sie fauchte
Am Dach vorbei und höher. Glühend jung.
Bis sie in wundervollem Linienschwung
In ferne, dunkle Abendwolken tauchte.
Auf jenem Dache saß ein schwarzer Kater.
Der sah die schöne Linie, und was tat er?
Zunächst: er fauchte ebenfalls.
Dann dehnte er sich, reckte seinen Hals.
Dann krümmte er den Buckel, hob ein Ohr
Und streckte seinen Schweif graziös empor,
Um jene schöne Linie nachzumachen.
Doch die Rakete oben barst vor Lachen.
Da warf sich unser schwarzer Kater
Wild auf den Rücken. Und was tat er?
Was tat er außer sich vor Wut?
Nun, was man sonst gewöhnlich nicht
Gerade auf dem Rücken liegend tut.
Er tat es kräftig, tat es reichlich, gut;
Er hatte kurz zuvor zu Haus
Zwei Babyflaschen ausgesogen.
Doch jenen herrlichen Raketenbogen – –
Nein, nein, den kriegte er nicht raus.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Rakete und der Kater von Joachim Ringelnatz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Rakete und der Kater“ von Joachim Ringelnatz ist eine humorvolle Auseinandersetzung mit dem Thema der Nachahmung und des Scheiterns. Es beginnt mit der Beschreibung des Aufstiegs einer Rakete, die in ihrer glühenden Schönheit und ihrem „wundervollem Linienschwung“ die Fantasie beflügelt. Diese Ästhetik wird im Verlauf des Gedichts in Kontrast zur Reaktion eines schwarzen Katers gesetzt, der das Geschehen vom Dach aus beobachtet. Der Kater versucht, die elegante Bewegung der Rakete zu imitieren, indem er zunächst ebenfalls faucht und sich dann verrenkt, was eine komische Gegenüberstellung von technischer Perfektion und animalischem Instinkt darstellt.

Die humorvolle Pointe des Gedichts liegt in der Unfähigkeit des Katers, die Leistung der Rakete auch nur annähernd zu erreichen. Ringelnatz verwendet hier eine einfache, spielerische Sprache, die durch Reime und den direkten Bezug zum Leser (‚Und was tat er?‘) die Komik verstärkt. Der Kater scheitert nicht nur in seinem Nachahmungsversuch, sondern reagiert auf sein Versagen mit Wut und einer ungewöhnlichen Aktion, die durch die explizite Erwähnung der Babyflaschen, die er zuvor geleert hat, noch zusätzlich pointiert wird. Dies unterstreicht die Absurdität und den Kontrast zwischen dem hochtechnischen Wunder der Rakete und dem instinktgesteuerten Verhalten des Katers.

Die Rakete, als Symbol für technologischen Fortschritt und menschlichen Ehrgeiz, steht hier im Gegensatz zum Kater, der für das Natürliche und Instinktive steht. Die Reaktion der Rakete – das Lachen – verdeutlicht die Distanz zwischen den beiden Welten und die Unmöglichkeit einer direkten Imitation. Ringelnatz spielt subtil mit der Vorstellung von Hochmut und der Begrenztheit menschlicher Bemühungen, wenn diese ohne das notwendige Verständnis oder die Fähigkeiten unternommen werden.

Letztlich ist das Gedicht eine liebevolle Persiflage auf den menschlichen Drang, andere nachzuahmen, oft ohne die Voraussetzungen zu haben, oder auf den Versuch, Größen nachzueifern, ohne die entsprechenden Mittel oder das Verständnis. Es ist eine spielerische Kritik am Übermut und der Selbstüberschätzung, verpackt in eine humorvolle Geschichte über einen Kater und eine Rakete, die den Leser zum Schmunzeln und Nachdenken anregt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.